Keine klare Sicht

Des einen Freud, des anderen Leid: „RISE with SAP“ soll Unter­nehmen den Ein- oder Umstieg in die Cloud-Welt von S/4HANA erleichtern, quasi den digitalen Transformations-Turbo zünden. Und während die einen diesen Weg erfolgreich beschreiten, fremdeln andere noch mit dem All-in-One-Angebot. Was genau die Gründe dafür sind und wo es definitiv noch Luft nach oben gibt: Die blaupause-Redaktion hat nachgefragt.

Alexander Brauschke, CIO bei der Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG

Was waren Ihre drei Hauptgründe, Ihre Treiber und Motivation für die Entscheidung für „RISE with SAP“?

Alexander Brauschke: Ehrlich gesagt habe ich mich nicht selbst dafür entschieden, sondern durfte in zwei Projekten „RISE with SAP“ kennenlernen.

Wie war Ihre Ausgangssituation, was hatten Sie im Einsatz: ECC? Überhaupt kein SAP? SAP bei einem Hosting-Partner?

In dem ersten der beiden Projekte wurde SAP S/4HANA in den Betrieb „RISE with SAP“ gegeben, im zweiten Projekt war es eine SAP-Neueinführung, S/4HANA als Greenfield über alle relevanten Geschäftsprozesse im produzierenden Gewerbe.

Was funktioniert gut? Und wo gibt es noch Luft nach oben?

Nach 20 Jahren Erfahrung als Dienstleister für das Thema SAP-Betrieb vermisse ich bei „RISE with SAP“ komplett das „Dienstleistungsvergnügen“ für Kunden-Unternehmen. Wenn ich mich als solches entscheide, den Betrieb nicht mehr selbst zu machen und ihn in gute Hände geben möchte, dann hat SAP aus meiner Sicht das Thema nicht verstanden und nicht angenommen. Eine Kunden-Dienstleistungsbeziehung lässt sich schließlich nicht mit einen Launchpad managen! Innerhalb beider Projekte habe ich empfohlen, den Vertrag zu „RISE with SAP“ zu kündigen und einen SAP-Dienstleister zu suchen, der den Betrieb der SAP-Landschaft übernimmt. Meine Erfahrung hat gezeigt: Wenn kein sehr gutes SAP-Know-how auf der Unternehmensseite vorgehalten wird, lässt sich das Konstrukt RISE schlicht nicht managen.

Die SAP S/4HANA Cloud ist als ERP-System ein Kernelement des Offerings. Sprich, wer „RISE with SAP“ nutzt, entscheidet sich auch für die SAP S/4HANA Cloud. Welche Vorteile bringt sie im Vergleich zum On-Prem-ERP-Angebot?

Generell überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile des Betriebs eines SAP-Systems in der Cloud. Nur macht man das mit einem kundenorientierten Dienstleister und nicht mit SAP.

Haben Sie mehrere ERP-Lösungen im Einsatz? Und für welche Kernprozesse nutzen Sie „RISE with SAP?“

Aktuell betreiben wir die S/4HANA-Landschaft noch On-Premise und sondieren gerade mögliche Lösungen. Nicht RISE!

Ihre Erfahrungen: Lassen sich Eigenentwicklungen problemlos in die S/4 HANA Cloud übertragen?

SAP kann nur eigene Produkte betreiben. In der Regel bringt der Kunde oder die Kundin noch Third-Party-Applikationen mit, für die man eine separate Lösung finden darf.

In einem Satz: „RISE with SAP“ ist für mich, für uns …

keine Alternative, um unser SAP-System betreiben zu lassen.

Danny Görsch, Prokurist, Geschäftsfeld­leiter, Managing Director SAP Business Solutions bei der DKB Service GmbH

Was waren Ihre drei Hauptgründe, Ihre Treiber und Motivation für die Entscheidung für „RISE with SAP“?

Danny Görsch: Zunächst haben wir viele gute Erfahrungen mit SAP in vielen vergangenen Projekten gemacht, was uns im nächsten Schritt dazu bewogen hat, das Thema S/4HANA in der Cloud via RISE-Angebot umzusetzen – insbesondere, da es Solution, Support und Partner-Management zu einem Preis bietet.

Wie war Ihre Ausgangssituation, was hatten Sie im Einsatz: ECC? Überhaupt kein SAP? SAP bei einem Hosting-Partner?

Wir hatten mehrere ECC-6.0-Systeme bei Arvato Systems gehostet.

Was funktioniert für Sie gut?

Was uns auf jeden Fall positiv auffällt, ist eine transparente Vertragsgestaltung, die In-Time-Bereitstellung der S/4HANA-Cloud-Instanzen sowie eine stabile Umgebung.

Und wo gibt es noch Luft nach oben?

Wir wüssten gerne: Was leistet SAP im Detail? Uns standen teilweise nur englischsprachige SAP-Berater zur Verfügung, obwohl bei der DKB ausschließlich Deutsch Firmensprache ist. Dies hatte eine schwierige Kommunikation auf Arbeitsebene mit Übersetzungsleistungen zur Folge. Auch die technische Klärung zur Anbindung einer Private-Cloud-Edition (PCE) an das eigene Firmennetzwerk ist teilweise bis heute nicht gelöst. Ebenso Diskussionsbedarf sehen wir beim Preis, und auch die SAP Cloud Application Services als Angebot on top – also, wenn der Kunde auch Rechenzentrumsleistungen bei SAP einkaufen möchte –, ist noch optimierbar.

Letzte Frage in der Beurteilung: Was läuft schlecht?

Es entstand bisher nicht der Eindruck, dass SAP uns als Kunde an die Hand nimmt und in die Cloud führt. Es gibt viele „Angebote“ auf Folien, am Ende aber – diese Erfahrung haben wir gemacht –, muss man sich als Kunde vieles zusammensuchen, proaktiv die Gespräche mit SAP einfordern und nach Lösungen sowie inkludierten Unterstützungsleistungen fragen und bitten. Erschwerend kommt hier hinzu, dass „RISE with SAP“ seitens der SAP-Beteiligten lange nicht transparent und klar in der Kommunikation war. Bis Ende 2021 konnte kaum oder nur sporadisch auf unsere Fragen geantwortet werden. Und wenn wir mal ganz genau hinsehen: Bei PCE-Transformationen sind die Vorteile von RISE kaum vorhanden oder spürbar.

Genauer nachgehakt: Die SAP S/4HANA Cloud ist als ERP-System ein Kernelement des Offerings. Sprich, wer „RISE with SAP“ nutzt, entscheidet sich auch für die SAP S/4HANA Cloud. Welche Vorteile hat die S/4 Cloud im Vergleich zum On-Prem-ERP?

Wir haben uns allein schon aus regulatorischen Gründen im Bankenumfeld für die PCE entschieden. Hierbei ändert sich nicht viel für uns als Kunde, bis auf die Tatsache, dass wir von Arvato Systems zu SAP ins Rechenzentrum wechseln, neue Leitungen ziehen und künftig auf ein S/4 konsolidieren. Die inhaltlich fachlichen Vorteile eines S/4 zu einem ECC 6.0 spielen dabei keine Rolle, da wir ein S/4 auch im Rechenzentrum des bisherigen Providers hätten betreiben lassen können. Viel wichtiger sind Vertrauen und positive Erfahrungen meinerseits als Entscheidungsträger mit SAP.

Haben Sie immer noch mehrere ERP-Lösungen im Einsatz? Und für welche Kernprozesse nutzen Sie „RISE with SAP?“

Nein, wir konsolidieren jetzt auf ein ERP mit S/4 von bis dato mehreren ECC. Insgesamt beschreiben wir drei Phasen, beginnen mit Finance/Controlling mit RE-FX (IFRS), dann mit der Beschaffung und abschließend erfolgen Anbindung und Integration von SuccessFactors und Human Capital Management (HCM).

Wenn Sie zurückblicken: Lassen sich Eigenentwicklungen in die S/4 HANA Cloud übertragen?

In unserem Fall sogar sehr gut, da wir in die PCE migrieren. Zusätzlich besteht auch immer die Möglichkeit, Eigenentwicklungen über die SAP Business Technology Platform (BTP) an das Kernsystem anzubinden, auch an Standardstrukturen der Public Cloud.

Wie rechnet man den Business-Case?

Das ist wohl die interessanteste, spannendste und meist eher philosophisch zu beantwortende Frage in dem Umfeld. Bei uns im Unternehmen laufen viele kaufmännische Kernprozesse noch eher außerhalb des ECC 6.0, und es gibt einen bunten Zoo an zusätzlichen Systemen, Applikationen und individuellen Datenverarbeitungsroutinen sowie eine mächtige MS-Office-Welt für das gesamte Controlling und Berichtswesen. Allein diese Betriebs- und Anwendungskosten gegen ein integriertes S/4HANA zu stellen, reicht in unserem Fall schon aus. Hinzu kommen die Einsparungspotenziale durch Prozesskostenoptimierungen in Form von Durchlaufzeiten – dazu gibt es Benchmarks seitens SAP –, Digitalisierung und Harmonisierung. Diese können näherungsweise in Zeit pro Full-Time-Equivalent (FTE) ermittelt und monetär bewertet werden. Abschließend würden noch die Betriebs- und Infrastrukturkosten hinzukommen, da wir aber bereits vorher das Rechenzentrum eines Service-Providers genutzt haben, fallen diese für uns im Vergleich zu SAP in etwa gleich aus.

Gibt es valide Zahlen zum Total-Cost-of-Ownership (TCO)?

Selbstverständlich. Im Rahmen unserer internen Mehrjahresplanung und in Anlehnung an unsere strategische SAP-Roadmap 2025 gibt es auch eine Finanzplanung und dementsprechend auch Aussagen zum TCO. Es ist schon erstaunlich und zugleich erschreckend, wenn dabei schnell ein zweistelliger Millionenbetrag über fünf Jahre zusammenkommt, und gleichzeitig die Frage nach dem Return on Investment (RoI) im Sinne von Effizienzbeiträgen gegenübergestellt werden muss. Hierbei hat uns SAP maßgeblich unterstützt.

In einem Satz: „RISE with SAP“ ist für mich … gefühlt noch viel Marketing und wenig greifbar, insbesondere für Kunden mit einem Migrationsansatz in die PCE.

Bildnachweis: iStock, D.Görsch, Knüppel-Verpackung GmbH & Co. KG

Autorin

Autorin: Sarah Meixner
blaupause-Redaktion
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