SAP Market Communication for Utilities

„Es gibt nur zwei Optionen: mitmachen oder mitmachen!“

Bis 2022 konnte SAP Market Communication for Utilities nur von Messstellenbetreibern genutzt werden. Mittlerweile sind alle Prozesse für die Marktkommunikation und den regulatorisch erforderlichen Datenaustausch auch für Lieferanten und Verteilnetzbetreiber verfügbar. Und die Uhr für den Umstieg tickt, da das Wartungsende für SAP Industry Solution Utilities (IS-U) bereits 2027 naht. Zeit für eine Bestandsaufnahme der beiden DSAG-Arbeitsgruppensprecher Dr. Martin Endig und Cornelia Skibbe.

Martin Endig, Sprecher der DSAG-Arbeitsgruppe Marktkommunikation im DSAG-Arbeitskreis Energieversorger, über SAP Market Communication for Utilities (MaCo Cloud)
Martin Endig, Sprecher der DSAG-Arbeitsgruppe Marktkommunikation im DSAG-Arbeitskreis Energieversorger

SAP Market Communication for Utilities ist eine cloudbasierte Lösung („MaCo Cloud“), die im Zusammenspiel mit SAP S/4HANA for Utilities die zugehörigen Kommunikationsprozesse aller Beteiligten im deutschen Energiemarkt an einer zentralen Stelle bereitstellt. Die Lösung wird als Software-as-a-Service-Produkt (SaaS) über die SAP Business Technology Platform (SAP BTP) bereitgestellt. Soweit die Fakten zum technischen Hintergrund.

SAP-Marketing-Versprechen im Praxistest

Welche wichtigen Funktionen die Lösung in der Praxis konkret bieten kann, erklärt Dr. Martin Endig, Sprecher der DSAG-Arbeitsgruppe Marktkommunikation. Er weiß, wovon er spricht. Schließlich ist er selbst bei den Städtischen Werken Magdeburg GmbH & Co. KG (SWM) als Projektleiter für die Einführung von SAP S/4HANA for Utilities inklusive Anbindung der MaCo-Cloud zuständig: „Die gesetzlichen Bestimmungen für den deutschen, deregulierten Energiemarkt geben vor, dass sich unternehmensübergreifende Datenaustauschprozesse zwischen verschiedenen Marktpartnern an einen streng standardisierten rechtlichen Rahmen halten müssen. In der Praxis bedeutet das, dass alle Unternehmen, egal ob auf Lieferanten- oder Netzseite, die entsprechenden Marktprozesse und Datenaustauschformate implementieren müssen. Und das in einer Branche, in der aktuell der größte Teil aller Informationen noch via E-Mail und rein textuell ausgetauscht wird.“

Zweimal jährlich, zu fixen Terminen, sind alle Energieversorger und sonstige Beteiligte in der Energiebranche gefordert. Stichtage sind der 1. April und der 1. Oktober. „Allerdings ist der aktuelle Stand der MaCo-Cloud der, dass die Prozesse im Moment zu stark auf die Netzseite und zu wenig auf allen anderen Markteilnehmenden ausgerichtet sind“, so der Experte. „Aber SAP arbeitet gerade an dieser Problematik.“

Vorgaben versus Realität

Die stellvertretende Arbeitsgruppensprecherin Cornelia Skibbe, im Hauptberuf Team-Leiterin IT-Change-Management Vertrieb bei der envia Mitteldeutsche Energie AG, nennt weitere Baustellen. „Wir hatten in den vergangenen drei Jahren teilweise das Gefühl, dass Vorgaben und Gesetze ohne Berücksichtigung der Meinungen von Praxisvertreter:innen entstanden sind. Zwei Tage vor Go-live einer neuen Regelung bspw. zu verkünden, dass der Formatwechsel im Kontext der umzusetzenden Energiepreisbremsen vom 1. April auf den 1. Oktober verschoben wird, ist alles andere als zielführend. Wir Anwenderunternehmen haben bis zu diesem Zeitpunkt schließlich alle Prozesse auch individuell ausgerichtet und können nicht einfach den Schalter umlegen.“

Potenziale von SAP Market Communication for Utilities (MaCo Cloud) für Anwenderunternehmen (noch) überschaubar

Cornelia Skibbe, stellvertretende Arbeitsgruppensprecherin Marktkommunikation im Arbeitskreis Energieversorger, über SAP Market Communication for Utilities (MaCo Cloud)
Cornelia Skibbe, stellvertretende Arbeitsgruppensprecherin Marktkommunikation im Arbeitskreis Energieversorger

Dr. Martin Endig pflichtet ihr bei: „Zeit ist ein kritischer Faktor in diesen Projekten. SAP passt den Standard entsprechend der Gesetzeslage mit vordefinierten Prozessschritten und deren Reihenfolge an. Gleichzeitig implementiert SAP die entsprechenden Formate für den Datenaustausch im Standard. Aber wir müssen dieses Gesamtkonstrukt schließlich auch noch an unsere Unternehmensbedürfnisse anpassen.“ Bezüglich der MaCo-Cloud befinden sich die Städtischen Werke Magdeburg gerade noch in der Transformationsphase. Aktuell ist eine Drittlösung im Einsatz. Potenziale für die neue Lösung sieht der Arbeitsgruppensprecher genug. Allein im Jahre 2022 wurden in Magdeburg über 3 Mio. fachliche Nachrichten mit Marktpartnern ausgetauscht: „Den Aufwand hinsichtlich der zwei Mal jährlich stattfindenden Anpassungen zu reduzieren, das ist für mich einer der Hauptvorteile der MaCo-Cloud“, sagt der Arbeitsgruppensprecher.

Ziel: minimaler Anpassungsaufwand, mehr Automatismen

Auch Cornelia Skibbe sieht das Angebot grundsätzlich positiv, stellt bei unternehmensindividuellen Teilprozessen wie bspw. Lieferbeginn aber noch Luft nach oben fest: „Die MaCo-Cloud als Gesamtpaket berücksichtigt alle Standards. Aber diese unternehmensindividuell ausgeprägten Teilprozesse werden nicht beachtet.“ Grundsätzlich ist eine unternehmensindividuelle Ausprägung mit SAP möglich, diese muss kundenindividuell in den Projekten eingeplant und ausgeprägt werden.

Ein großer Vorteil der MaCo-Cloud wäre für sie daher, wenn – neben der proaktiven Umsetzung und Übernahme der gesetzlichen Änderungen für Datenformate durch SAP – auch kundenspezifische Anpassungen erst gar nicht mehr nötig wären. „Aus Sicht von SAP ist das aber nur über die Verwendung von Standards möglich. Das wiederum widerspricht aber den kundenindividuellen Lieferantenausprägungen. Auf der Netz-Seite hingegen können entsprechende Standards verwendet werden. Das sind beides Themen, welchen wir uns in der DSAG-Arbeitsgruppe widmen werden“, fasst die stellvertretende Sprecherin zusammen. Sie ergänzt: „Dann könnten die fixen Termine Anfang April und Anfang Oktober, die immer auf Ostern und den Feiertag zur Deutschen Einheit fallen, endlich Geschichte sein und die Mitarbeitenden Urlaub nehmen. Insgesamt sind wir aber sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit SAP. Wir werden immer gefragt, was wir im Standard noch benötigen und wo sonst Unterstützung gewünscht ist.“

Das sieht Dr. Martin Endig ähnlich. „Mein Team und ich arbeiten eng mit dem Fachbereich zusammen. Wir fragen genau ab, was wo und in welcher Form benötigt wird. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass SAP im Standard derzeit zu 95 Prozent nutzbar ist. Den Rest passen wir auf unsere SWM-spezifischen Anforderungen an. Und wir lernen jeden Tag dazu.“ Grundsätzlich gibt es für den Umstieg auf die MaCo-Cloud und S/4HANA Utilities aber nur zwei Optionen: mitmachen oder mitmachen.