„New Work ist harte Arbeit“

Thomas Resch im New-Work-Interview

Homeoffice, Vier-Tage-Woche und Tischkickern – das ist New Work! Nein, das ist es nicht! Zumindest nicht nur, sagt der DSAG-Interviewpartner. Thomas Resch, Organisationsentwickler, Coach und HR-Lead metafinanz Informationssysteme GmbH, und Fachgruppenleiter New Work beim Bundesverband der Personalmanager:innen, ist sich sicher: Unternehmen, die New Work wirklich leben möchten, müssen mehr bieten als Obstkörbe und flexible Arbeitszeiten. Im Vorfeld des virtuellen DSAG-Thementags „Mit New-Work-Ansätzen Fachkräfte gewinnen und halten“ am 14.06.2023 erläutert der Experte, welche Rolle Kultur, Organisationsstrukturen und Technologie im Kontext von New Work spielen.

Was bedeutet New Work für Sie persönlich und wie wenden Sie New Work in Ihrer Arbeit an?

Thomas Resch: ‚New Work‘ ist zum einen Container-Begriff für viele verschiedene Methoden, Maßnahmen und Initiativen. Für mich bedeutet New Work, Antworten in Organisationen zu finden auf die steigende Komplexität der Märkte und Arbeitswelt. Dafür benötigt es deutlich dezentralere Entscheidungsstrukturen und eine stärkere Befähigung von Mitarbeitenden.

Thomas Resch
Thomas Resch, Organisationsentwickler, Coach und HR-Lead metafinanz Informationssysteme GmbH, und Fachgruppenleiter New Work beim Bundesverband der Personalmanager:innen

Wie sollte dazu der Rahmen in den Unternehmen aussehen?

Es ist wichtig auf den Prüfstand zu stellen, wie Unselbständigkeit und Verantwortungsabgabe geschieht in Unternehmen. Bei meinem Arbeitgeber, der metafinanz, arbeiten wir seit fünf Jahren sehr dezentral, agil und verlagern viel Entscheidungskompetenz an Mitarbeitende. Wir fördern und befähigen Mitarbeitende, damit sie in einer immer komplexer werdenden Welt arbeiten können. Ein Setting bzw. eine Kultur psychologischer Sicherheit ist wichtig. Denn mehr denn je braucht es Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit.

Welche Chancen und Risiken ergeben sich dadurch, dass sich Unternehmen jetzt neu aufstellen müssen in Bezug auf New Work?

Eine Chance von New Work ist es, Antworten zu finden für den Umgang mit einer schnelllebigen Zeit, die nie mehr so langsam sein wird. Für Unternehmen ist es eine Chance, herausfordernde Märkte zu erobern. Risiken sehe ich jedoch darin, dass Mitarbeitende überfordert werden könnten durch viel Freiheit, die sie nicht gewöhnt sind und für die sie nicht sozialisiert wurden. Das Schulsystem beispielsweise gibt sehr genau vor, was getan werden darf und was nicht. Im Berufsleben dann selbst entscheiden zu dürfen, was richtig und wichtig ist, kann Mitarbeitende stark beanspruchen und bis zum Burnout führen.

Inwiefern sind Unternehmen gefordert dem vorzubeugen?

Organisationen müssen Rahmenbedingungen bieten, die Mitarbeitende unterstützen und begleiten. Dazu können sie z. B. Raum und Zeit schaffen, um über die Herausforderungen zu sprechen und offen mit etwaigen Widerständen umzugehen, die eine Transformation zwangsläufig mit sich bringt. Es ist fatal einfach zu sagen, dass New Work gut und wichtig ist und jetzt gelebt werden muss. In der Transformation geht es um emotionale Intelligenz, um Konfliktfähigkeit, um echte Co-Creation. Es muss klar sein, dass New Work nicht nur das gemeinsame Tischkickern, die Vier-Tage-Woche und den Obstkorb beinhaltet, sondern harte Arbeit ist.

Lässt sich bereits ein genereller Trend beobachten?

Im Bundesverband der Personalmanager:innen sind wir Partner des New- Work-Barometers. Die jährliche Studie belegt, dass der Begriff weiter an Popularität gewinnt und für viele unterschiedliche Themen steht. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass psychologische Sicherheit eine große Rolle spielt. Konkret: Auch bei New Work brauchen Mitarbeitende den Glauben daran, Risiken in Unsicherheit eingehen zu können, ohne hierfür herabgesetzt zu werden.

Welche Trends bzw. Erkenntnisse lassen sich noch ableiten?

New Work ist ein Phänomen einer gewissen Elite. Ich finde leider. Oft ist eine deutliche Spaltung zwischen Mitarbeitenden in Bürojobs und denen z. B. in Produktionshallen erkennbar. Einerseits herrscht eine Forderung nach hübschen Benefits des New-Work-Ansatzes wie z. B. eine Vier-Tage-Woche oder Homeoffice. Andererseits ist dies wegen der Umstände nicht denkbar. Die Folge ist, dass ein Riss durch die Unternehmen geht, zunehmend sogar durch die Gesellschaft. Inmitten der großen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft müssen wir den Blick weiten und über die Zukunft der Arbeit sprechen – und dabei nicht nur über die der Wissensarbeit. Sie ist nur ein Ausschnitt der Arbeitsrealität. Es geht auch darum diejenigen, die tagtäglich Mülltonnen leeren oder Bahnhöfe säubern und deren Jobs entgegen vielen Prognosen noch lange nicht von künstlicher Intelligenz übernommen werden können.  in ein gutes Setting einzubetten, damit auch sie von New Work profitieren können.

New Work agiert zwischen den Polen von Compliance und neuer Führung. Inwiefern sind diese gegensätzlich?

Compliance und neue Führung sind zwei Seiten einer Medaille. Compliance-Struktur ist wichtig und notwendig – sie ist bildlich gesprochen die Hardware, die Grundlage. Neue Führung ist die Software, die darauf gespielt wird. Hier gibt es derzeit viele Updates, vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten und den Wunsch nach weiteren Features.

Was bedeutet das hinsichtlich neuer Führung?

Zu ‚neuer Führung‘ gehört es Rahmenbedingungen zu schaffen und diese (vor-) zu leben. Es gehört dazu zu führen und geführt werden. Viele vergessen insbesondere das zweite, wobei auch die Fragen zu klären sind: Wie arbeite ich denn dann? Und wie gehe ich damit um, wenn ich Freiheiten habe, aber manche Dinge dennoch erledigen muss? Die Freiheit im New Work hat Grenzen. Das zu dirigieren, ist eine hochkomplexe Aufgabe – die ich liebe.

In welche Richtung schlägt das Pendel bei Compliance und neuer Führung derzeit aus?

Hinsichtlich der Compliance-Strukturen schlägt die Bürokratie wieder mehr durch. Beispiele sind hier das Urteil zur Arbeitszeiterfassung oder die Tatsache, dass Homeoffice-Regelungen offiziell immer noch schwierig sind. Aus Sicht des Bundesverbands der Personalmanager ist es daher eindeutig, dass es Reformen braucht und, dass die Gesetzgebung an die Lebensrealität angepasst werden muss. Das käme dann auch den Arbeitnehmenden zugute, die derzeit oftmals von New Work noch nicht profitieren, wie z. B. Produktionsmitarbeitende oder Handwerkende.

Warum ist die Vernetzung von Personen, Organisationen und auch der Einsatz von Technologien unabdingbar für ein funktionierendes New Work?

In dieser hochkomplexen Welt müssen wir Gehirne zusammenschalten können. Es braucht ein soziales „Wir“, das über die Grenzen von bestehenden Silos und sogar von Organisationen hinweg komplexe Probleme löst. Hierzu müssen wir uns vernetzen können und funktionierende, moderne Technologie ist dafür essenziell. Wird sie passend genutzt, schafft sie die Grundlage vernetzt zu arbeiten.

Welche Rolle spielt die Eigenverantwortung bei New Work?

Wo es mehr Freiheit gibt, gibt es auch mehr Verantwortung zu tragen.  Es geht weg davon Betroffene:r von Change-Maßnahmen zu sein, hinzu selbst Handelnde:r im eigenen Wirkungsbereich zu werden. Das lässt sich aber nicht von oben oder von außen diktieren. Das ist eine innere Reise, die jede:r selbst machen muss. Sie benötigt gezielt Begleitung.

Vielen Dank für das Gespräch!