Genauer planen, gezielter ausgeben

Die Landeshauptstadt Saarbrücken stellt die Organisation ihres Haushalts derzeit auf neue Füße. Für den Prozess der Haushaltsaufstellung kommt künftig die SAP Analytics Cloud (SAC) zum Einsatz. Der Haushaltsvollzug wiederum, also die Budgetierung, wird in das Budget Control System (BCS) der Lösung SAP Public Sector Management (PSM) verlagert. Beide Teilprojekte werden derzeit vorbereitet und gehen Anfang 2024 in den Produktivbetrieb – mit der Umstellung auf S/4HANA, welches das jetzige SAP-ERP-System dann vollständig ablöst.

Haushalten in Zeiten klammer Kassen ist für Kommunen per se kein Vergnügen. Umso wichtiger sind ein guter Überblick und detaillierte Auswertungsmöglichkeiten. Für die Stadt Saarbrücken sind der Umstieg auf S/4HANA und der Einsatz der SAP Analytics Cloud (SAC) das Mittel der Wahl, um ihre kommunalen Finanzprozesse für das 21. Jahrhundert langfristig fit zu machen.

Bislang plant die Verwaltung ihren Haushalt mit der klassischen, in SAP ERP vorgegebenen Musterlösung für die doppische Haushaltsaufstellung: Komponenten der Module SAP Controlling (SAP CO) und SAP Projektsystem (SAP PS) für die reine Primärkostenplanung, Elemente der Kostenrechnung sowie die Aufstellung des Ergebnis-Haushaltes (die Plan-Gewinn- und Verlust-Rechnung). Über SAP Pub­lic Sector Management (PSM) wird zudem der Finanzhaushalt (zur Darstellung von Zahlungsströmen) bereitgestellt.

„Wer die Standardplanung in SAP ERP kennt, weiß auch, wie viele unterschiedliche und voneinander abhängige Transaktionen es dort gibt. Man sieht sie jedoch in dieser Form nie auf einen Blick“, sagt Kerstin Lanz, Abteilungsleiterin und SAP-Projektleiterin der Stadtkämmerei in Saarbrücken. Um den Planungsprozess durchzuorganisieren, kursierte in der Stadtkämmerei an der Saar daher eine umfangreiche Excel-Tabelle mit einzelnen To-dos, was in welcher Reihenfolge von wem zu erledigen ist – ein umständliches und fehleranfälliges Vorgehen.

Planungen waren nur auf unterster Ebene möglich

Kerstin Lanz,
Abteilungsleiterin und SAP-Projektleiterin
der Stadtkämmerei in Saarbrücken

Im klassischen SAP-Backend gibt es verschiedene kostenrechnungsrelevante Stammdaten – Kostenstellen, PSP-Elemente, Innenaufträge –, die losgelöst voneinander betrachtet werden. Kerstin Lanz erklärt: „Je nachdem, was man plant, ruft man immer eine andere Transaktion auf, sieht immer nur eine Objektart und muss sich am Schluss über ein Reporting den Gesamtüberblick verschaffen.“ Im konkreten Moment der Planung fehle jedoch genau diese ganzheitliche Sicht. Das Resultat: Planungen sind immer nur auf der untersten Ebene möglich.

Ziel in Saarbrücken war es daher, die Haushaltsaufstellung unter SAP S/4HANA mit der SAC als Planungsinstrument der Zukunft völlig neu aufzusetzen. Die klassischen Planungstransaktionen im SAP-ERP-Standard gehören ohnehin nicht mehr zum SAP-Zielszenario unter S/4HANA. Weil sich der kommunale Aufstellungsprozess erheblich von der Planung in der Privatwirtschaft unterscheidet, führten die Stadt und SAP in einem gemeinsamen Proof-of-Concept (PoC) zunächst eine Machbarkeitsanalyse durch: Ist die SAC mit ihrem Instrumentarium dafür geeignet, kommunale Haushaltsprozesse abzubilden?

Landeshauptstadt Saarbrücken

Die Landeshauptstadt Saarbrücken ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des grenzüberschreitenden Ballungsraumes SaarMoselle. Als Universitäts-, Kongress-, Messe- und Einkaufsstadt ist sie ein attraktiver Standort für unternehmerische Aktivitäten. Mit mehr als 15.000 Unternehmen ist Saarbrücken Job-Motor für weit mehr als 100.000 Menschen.

Uwe Conradt leitet die Stadtverwaltung mit ihren rund 1.700 Beschäftigten. Was die Digitalisierung angeht, ist Saarbrücken vorn dabei: Über das Internet-Portal der Landeshauptstadt kann man zahlreiche Dienstleistungen online beantragen und zum Teil gleich auch die anfallenden Gebühren online bezahlen.

Ganzheitliche Sicht

Ergebnis: Sie ist es, und sie führt darüber hinaus dazu, Planungsprozesse zu optimieren, wenn man das Instrumentarium nur richtig anwendet. Allein durch die Usability und das Anwendungshandling versprechen sich Kerstin Lanz und ihr Team eine künftig effizientere, einfachere, übersichtlichere und transparente Planung. Ein hohes Erwartungspaket, das sich durch die dynamische Ausgestaltung der Cloud-Lösung erfüllen soll: In der SAC werden alle benötigten Analyse- und Planungsfunktionen innerhalb einer Anwendung dargestellt und im Hintergrund ausgeführt. Für Power-User gestalte dies die Arbeit wesentlich einfacher, ist Kerstin Lanz überzeugt. Die aus dem PoC entstandene Partner-Branchenlösung wird gegenwärtig zusammen mit einem SAP-Partner zur Produktionsreife und für optimales Anwendungshandling weiterentwickelt.

Arbeitsgruppe Planung und Steuerung

Die Arbeitsgruppe „Planung und Steuerung“ im Arbeitskreis „Public Sector“ der DSAG befasst sich hauptsächlich mit den Themen Finanzpositionen und Finanzstellen, Budgetierung inklusive Nachtragsplanung, Haushaltsvermerke, Budgetfreigabe und -sperre, Budgetaktualisierungen, Reportingfragen, Budgetreste, Umkontierung bzw. Zeitabhängigkeit von Finanzstammdaten und Strukturen.

Nur noch eine Maske für alle Objekte

Von Strukturen, wie sie das SAP-S/4HANA-Backend-System vorgibt, ist die SAC vollständig losgelöst. Durch die Unabhängigkeit konnte das Projekt-Team ein neues Objekt „CO“ einführen. Als CO-Objekt werden künftig sowohl Kostenstelle als auch PSP-Elemente angelegt. So gibt es nur noch eine Planungsmaske, in der man sämtliche Objekte auf einmal planen kann. „Die Masken in der SAC sind äußerst flexibel und dynamisch. Man ist nicht an die vorgegebenen Strukturen gebunden, sondern kann die Masken so aufbauen, wie man sie im Moment benötigt“, erklärt Kerstin Lanz.

Ein weiterer Vorteil des künftigen Planungstools ist die Möglichkeit einer Top-down-Planung. Die Stammdaten werden hierarchisch organisiert, das System bricht automatisch auf die unterste Ebene herunter und Nutzerinnen und Nutzer können auf Knotenebene planen. Sollen also zum Beispiel für einen gesamten Bereich 10.000 Euro weniger geplant werden, muss die Planerin dies nicht manuell auf die einzelnen Objekte herunterbrechen, sondern gibt auf dem Knoten „minus 10.000 Euro“ ein. Das Herunterbrechen übernimmt das System automatisch.

Wenn die Stadt ab 2023 beginnt, mit der SAC ihren Haushalt für das kommende Jahr zu planen, will das Geld in 2024 dann entsprechend ausgegeben werden. Dies betrifft das zweite Teilprojekt des neuen Haushaltswesens: die Schaffung eines Tools zur Budgetübersicht, in dem die Fachbereiche auf einen Blick ersehen, wie viel sie insgesamt noch ausgeben dürfen – ohne dafür jedes einzelne Objekte betrachten zu müssen.

Diesen Haushaltsvollzug – das Ausführen des Haushaltsplans – verlagert die Stadt Saarbrücken künftig in das Budget Control System (BCS) der Lösung SAP PSM unter S/4HANA. Kerstin Lanz: „In SAP ERP war es bislang nicht möglich, eine Budgetierung mit aktiver Verfügbarkeitskontrolle so einzurichten, dass unsere Anforderungen vollständig abgebildet werden konnten.“ Kostenstellen böten zwar die Möglichkeit einer Verfügbarkeitskontrolle, allerdings könne man hart nur auf einem Objekt budgetieren. „Bei großen Bereichen, die über eine Vielzahl von Objekten abgebildet werden, ist das unpraktikabel“, so die Projektleiterin. Mit dem Budget Control System ist nun genau das möglich: einen Topf zu bilden, über den die Budgetdaten für Kostenstellen und PSP-Elemente sowie Innenaufträge in Gänze dargestellt werden, und über dessen Gesamtsumme frei zu verfügen.

„In den Arbeitskreisen der DSAG konnten wir uns mit anderen Kommunen austauschen. Der Blick von außen und kritische, kluge Fragen waren für uns eine wertvolle Hilfe im Projekt.“

Kerstin Lanz

Abteilungsleiterin und SAP-Projektleiterin der Stadtkämmerei in Saarbrücken

Natürlich bedeutet Budgetierung im kommunalen Bereich nicht, dass der vorgegebene Haushalt immer genauso ausgeführt wird. Ganz im Gegenteil: Auch unterjährig gibt es immer wieder Änderungen in Form überplanmäßiger Ausgaben, ungeplanter Mehreinnahmen und Haushaltsresten. Diese Änderungen lassen sich in BCS bis ins Detail abbilden.

Verlagerung der Budgetierung in SAP PSM

Schon unter SAP ERP nutzt die Stadt Saarbrücken SAP PSM zur Abbildung von Finanzhaushalt und Finanzrechnung. Künftig, in der S/4HANA-Welt, wird sie nun also auch den kompletten Teil des Haushaltsvollzugs und der Budgetierung dorthin verlagern. In Kombination mit der neuen Planung bedeutet das: Auf Basis von Haushaltsdaten, die über SAC erzeugt werden, kann die Stadt im laufenden Geschäft Mittel als Budget bereitstellen, die einer Verfügbarkeitskontrolle unterliegen. Und sie gibt den Anwenderinnen und Anwendern ein transparentes Berichtswesen an die Hand, ohne dass diese bei jedem einzelnen Kontierungsobjekt nachsehen müssen, wie viel Geld noch im Budget bereitsteht. Das Teilprojekt Haushaltsvollzug ist abgeschlossen und vollständig durchgetestet, Produktivstart ist mit der S/4HANA-Umstellung zum 1. Januar 2024.

Was die Systemumstellung auf SAP S/4HANA angeht, ist die Stadt Saarbrücken unter den bundesdeutschen Kommunen weit vorn dabei. In den Arbeitskreisen der DSAG, speziell der Unterarbeitsgruppe Planung und Steuerung, hat Kerstin Lanz ihr Projekt vielfach vorgetragen und sich dabei mit anderen Kommunen ausgetauscht. „Der Blick von außen und kritische, kluge Fragen von Verwaltungen, die sich mit dem Thema S/4HANA-Umstellung bislang noch nicht in der Tiefe beschäftigt haben, waren für uns eine wertvolle Hilfe im Projekt“, betont sie nachdrücklich.

Im Frühjahr 2019 hatte die Projektleiterin ihre erste Berührung mit der SAC. Hilfreich bei einem solchen Projekt sei es stets, so ihre Erfahrung, Verantwortliche mit fachlicher Perspektive frühestmöglich einzubeziehen, in Form von Brainstorming-Workshops und regelmäßigen Projekt-Updates. Nach Abschluss des PoC hat die Projektgruppe den Prototypen ausgewählten Mitarbeitenden, die in der Verwaltung der Landeshauptstadt mit Haushaltsplanung zu tun haben, vorgestellt. Umfangreiche Schulungsunterlagen und Handbücher vermitteln die Inhalte, damit zum Produktivstart alles funktioniert. 100 bis 150 produktive Anwenderinnen und Anwender werden mit dem neuen Haushaltswesen arbeiten – unterstützt und betreut vom Projekt-Team um Kerstin Lanz, das sich als SAP Customer Center of Expertise in Saarbrücken daneben natürlich noch um weitere SAP-Themen kümmern muss, darunter die komplette Anwendungsbetreuung und Eigenentwicklungen.

Bildnachweis: iStock+Stadt Saarbrücken, Stadt Saarbrücken

Autor: Frank Zscheile
blaupause-Redaktion
blaupause@dsag.de