Kein Fehler im System

Wer sich mit Risiko-Management in Unternehmen beschäftigt, für den ist die Fehler-Management- und -Einflussanalyse-Methodik (FMEA) keine Unbekannte. Und auch wenn sie viel Zeit und Nerven kosten kann: Am Ende zahlt sich der Aufwand aus, denn Fehler und Ausfälle können deutlich reduziert werden. Uwe Schedl, verantwortlich für die digitalen Qualitätsmanagement-Prozesse der Division Industrietechnik bei ZF Friedrichshafen und Sprecher der DSAG-Arbeitsgruppe FMEA, weiß das aus eigener Erfahrung.

Der Bau von Raketen ist teuer und zeitintensiv, ihr Einsatzgebiet meist spektakulär. Entsprechend aufwändig und lange analysierten Ingenieure im Rahmen des Apollo-Programms der NASA Ende der 1960er Jahre sämtliche Bauteile und eingesetzten Materialien hinsichtlich möglicher Fehler und deren Folgen bei Start, Flug und Landung: Das war die Geburtsstunde der Fehlermanagement- und -Einflussanalyse-Methodik (FMEA).

Das neue FMEA-Cockpit erleichtert Moderatoren die Arbeit immens – auch dank der drei verschiedenen Screens, die parallel zu sehen sind.
Wer sich heute mit FMEA beschäftigt, der weiß vor allem eins: Es ist eine komplizierte Methode, die sehr anstrengend werden kann. Nämlich dann, wenn für jede Komponente oder jeden Prozessschritt die Funktion, mögliche Fehlfunktionen und ihre Ursachen sowie passende Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen definiert werden müssen.

„Aber der Aufwand lohnt sich“, bestätigt Uwe Schedl von ZF Friedrichshafen. „Kein Unternehmen will auf eine sorgfältig durchgeführte FMEA verzichten, das kann sich niemand leisten. Dafür sind Entwicklungs-, Produktions- und Planungsprozesse sowie Lieferketten viel zu sensibel. Das muss wie am Schnürchen laufen. Und falls es ein Risiko gibt, müssen Hersteller rechtzeitig darüber informiert sein.“

Aus der Not entstanden

Genau für diese Fälle gibt es spezielle FMEA-Tools im Qualitätsmanagement (QM) von SAP. Dass diese ständig verbessert und erweitert werden müssen, versteht sich von selbst. Für eine konstante Einflussnahme auf den SAP-Standard wurde 2014 die DSAG-Arbeitsgruppe FMEA gegründet. Treibende Kraft dahinter war Uwe Schedl, der bis heute ihr Sprecher ist – und das aus voller Überzeugung.

„Ich kannte die DSAG bis dato nicht, war aber nach der Teilnahme an einer QM-Veranstaltung beeindruckt, welche Möglichkeiten zur Einflussnahme der Verband bietet. Vor allem der direkte Kontakt zum Hersteller hat mir gut gefallen“, erinnert sich Uwe Schedl. Ein Grund, aktiv zu werden, war das FMEA-Cockpit. Es soll sämtliche Bearbeitungsfunktionen für alle Objekte in einem einzigen Bild darstellen. „Das Cockpit war aber alles andere als anwenderfreundlich. Schwierigkeiten machten damals z. B. die Durchführung einer FMEA als Moderator oder die Darstellung der Ergebnisse in einer Risikomatrix“, so der DSAG-Sprecher.

Von Anfang an erfolgreich

„Um das Cockpit zur Moderation wirklich nutzen zu können, wären tiefgreifende Systemmodifikationen nötig gewesen. Das konnte unsere IT aber nicht leisten“, rekapituliert Uwe Schedl. „Also gingen wir den Weg über die DSAG.“

Allein im Oktober des Gründungsjahres der Arbeitsgruppe gab es zwölf Improvement-Requests, die schnell hoch gevotet wurden – und von denen SAP letztlich acht Stück auch rasch umsetzte. „Dazu zählten auch Kleinigkeiten wie z. B. unnötige Felder unsichtbar machen, einen neuen Button zum einfachen Statuswechsel von Maßnahmen oder Verbesserungen beim Stornieren von Maßnahmen. Aber dennoch: Das waren wichtige Kleinigkeiten, die nicht nur uns bei ZF unglaublich nerven konnten“, fasst Uwe Schedl zusammen.

Nach diesen schnellen ersten Erfolgen ging es ans Eingemachte: Gemeinsam mit SAP entwickelte die Arbeitsgruppe die FMEA-Moderationssicht im bestehenden FMEA-Cockpit. Der Anwender kann seitdem im operativen Betrieb zwischen der Moderationssicht und der alten Darstellung umschalten, je nach Bedarf. Die Moderationssicht, mit welcher Nutzer endlich in mehreren Screens gleichzeitig synchronisiert arbeiten können, wird seit Enhancement Package (EHP) 8 SP5 im Standard ausgeliefert.

Die ZF Friedrichshafen AG ist ein weltweit aktiver Technologiekonzern und liefert Systeme für die Mobilität von Pkw, Nutzfahrzeugen und Industrietechnik.

Verbesserungen für möglichst viele Branchen

Mit diesen ersten Informationen und Ergebnissen hat SAP sich dann zurückgezogen und eigenständig erste Neuerungen entwickelt. „Das war erst einmal gewöhnungsbedürftig“, sagt Uwe Schedl. „Denn normalerweise spricht man mit der IT und bekommt direkt eine Lösung. Aber SAP bedient ja nicht nur eine Branche, sondern versucht, wie in unserem Fall, industriespezifische Anforderungen in einen Gesamtkontext umzusetzen. Und das hat letzten Endes immer funktioniert.“

Wichtig ist die Moderationsfähigkeit vor allem auch, weil eine FMEA meistens in Team-Besprechungen erstellt wird und der Moderator Wünsche und Ergebnisse der Gruppe zeitnah eingeben muss. Wenn hier die einzelnen Bildschirme nicht synchron laufen, es mehrere hundert Zeilen gibt und Zusammenhänge nicht mehr auf einen Blick ersichtlich sind, „schalten die Team-Mitglieder ab und das Ergebnis der FMEA ist gefährdet“, fasst Uwe Schedl seine Erfahrungen zusammen.

Ebenso wichtig ist es für alle FMEA-Anwender, auf einen Blick relevante Informationen zu einer Maßnahme zu sehen. „FMEA lebt davon, dass man Maßnahmen zu den einzelnen Fehlerursachen definiert“, erklärt der DSAG-Sprecher. „Dazu gehört aber zwingend, neben den Details zu den Maßnahmen auch das Netz an Funktionen, Fehlfunktionen und Ursachen parallel auf dem Schirm zu haben.“

Risikomatrix umgesetzt

Um mit den Ergebnissen praktisch weiterarbeiten zu können, brauchen Nutzer zusätzlich eine Risikomatrix, die die FMEA-Resultate grafisch darstellt. „Eine FMEA kann ein unglaublich langes Dokument sein, da hat man schnell 1.000 Zeilen beisammen“, weiß Uwe Schedl. Die Matrix liefert einen Gesamtüberblick über die relevanten Risiken in einem Diagramm.

Die ZF Friedrichshafen AG ist mit 149.000 Mit­arbeitenden an rund 230 Standorten in 40 Ländern vertreten.

„Mit dem Tool eines Drittanbieters geht das nicht so einfach“, sagt Uwe Schedl. „Mit der SAP-Lösung kann ich heute direkt per Mausklick ansehen, was früher sicher mindestens eine Stunde Extra-Auswertung in einem anderen Tool gekostet hätte.“ Einen Wunsch hat der IT-Experte trotzdem noch: „Es gab in den letzten Jahren viele gute Ideen und Wünsche, um FMEA noch besser und anwenderfreundlicher zu machen, und vieles davon wurde umgesetzt. Daher wäre es toll, wenn nun noch mehr Mitglieder aktiv werden würden.“

Zukunftsweisend: FMEA und S/4HANA

Denn bis heute arbeitet SAP in enger Abstimmung mit der DSAG-Arbeitsgruppe weiter an der Entwicklung von FMEA. Inzwischen stehen allerdings die Darstellung von Funktionsnetzen und die grafische Arbeitsweise in S/4­HANA im Fokus. „Wir sind früh dabei, S/4­HANA und die FMEA-App so zu gestalten, dass wir alle in drei, vier Jahren sinnvoll damit arbeiten können“, blickt Uwe Schedl voraus in die Zukunft. „Wir haben hier die Chance, Ideen und Wünsche zu realisieren, wie wir es als einzelne Personen niemals hätten machen können.“


Glossar – Die Einflussnahmeprogramme

  • Customer Connection (CC)
    ist ein Programm von SAP, bei dem Anwender mitwirken können, um Weiterentwicklungen und Abrundungen an bestehenden SAP-Produkten vorzunehmen. Ziel ist es, die Software entsprechend ihren Anforderungen zu verbessern.
  • Customer Engagement Initiatives (CEI)
    ermöglichen eine enge Zusammen­arbeit zwischen DSAG-Mitglied und SAP während des gesamten Ent­wicklungs­ zyklus für geplante neue Produkt-Releases oder Enhancement Packages. Sie bieten die Möglichkeit, das SAP-Entwicklungsportfolio mitzugestalten und neue Funktionen zu erhalten.
  • Continuous Influence Sessions (CIS)
    zielen auf eine dauerhafte Einflussnahme durch Kunden. Die Verbesserungsideen können fortwährend in das Influence-Tool eingetragen werden. Die SAP-Entwickler prüfen die Einträge regelmäßig, und die Entwicklung sowie die Auslieferungen erfolgen z. B. quartalsweise. dsag.de/einflussnahme

Bildnachweis: Anna Polywka + Shutterstock + ZF Friedrichshafen AG

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