Gezielt abwägen, unbegrenzt skalieren

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Die Digitalisierung in sämtlichen Lebensbereichen führt dazu, dass Daten exponentiell zunehmen. Mit steigender Menge wird auch immer mehr geeignete Rechenkapazität benötigt, um die Daten verarbeiten zu können. Diese ist häufig gepaart mit der Anforderung an eine globale Verfügbarkeit der Daten bei gleichzeitig geringer Übertragungszeit vom Rechenzentrum zum Nutzer und umgekehrt. Das macht dezentrale, weltweit verteilte Rechenzentren erforderlich, die stark variierende Auslastungen bedienen können. Der Betrieb derartiger Infrastrukturen ist nur für wenige Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll abbildbar. Die entstehende Lücke füllen die Hyperscaler.

Hyperscaler sind Unternehmen, die große, weltweit verteilte Rechenzentren betreiben und anderen Unternehmen Rechenleistung, Speicherplatz und Netzwerkkapazitäten als Cloud-Computing zur Verfügung stellen. Zu den relevantesten Anbietern gehören Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure, Google Cloud und Alibaba Cloud. Das Leistungsportfolio der Hyperscaler umfasst sowohl die Bereitstellung von Infrastrukturdiensten (Infrastructure-as-a-Service, IaaS) als auch von Technologieplattformen (Platform-as-a-Service, PaaS), die bei der Entwicklung eigener Anwendungen oder der Erweiterung bestehender Lösungen eine Rolle spielen. Damit nehmen Hyperscaler eine tragende Rolle im Rahmen der digitalen Transformation von Unternehmen ein und bilden zudem die technologische Grundlage für neue Geschäftsideen und -modelle.

Flexibilität: Skalierbarkeit und Elastizität

Durch ihre Größe können sich Hyperscaler Skaleneffekte zunutze machen und damit Rechenleistung zu attraktiven Konditionen anbieten. Die Kostenvorteile können vor allem dann gehoben werden, wenn Kunden stark variierende Anforderungen haben. Ein Beispiel: Der Betrieb eines Online-Shops benötigt über das Jahr hinweg eine einigermaßen konstante Rechenleistung. Zu besonderen Ereignissen, wie z. B. Black Friday oder Weihnachtsgeschäft, steigt der Ressourcen-Bedarf kurzfristig an. Beim Betrieb einer eigenen Infrastruktur müsste die Hardware für die Maximallast ausgelegt und damit Infrastrukturkomponenten beschafft und betrieben werden, die über lange Zeiträume nicht ausgelastet wären. Hyperscaler hingegen ermöglichen es, Rechenkapazität entsprechend des echten Bedarfs eines Unternehmens in Anspruch zu nehmen, d. h. kurzfristig deutlich zu skalieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu reduzieren. Weitere Anwendungsfälle sind temporär genutzte Systeme oder neue Geschäftsmodelle, deren Markterfolg erst noch zu beweisen ist. Anstelle der Beschaffung statischer Systeme werden Ressourcen nur in dem Umfang genutzt, wie ein tatsächlicher Bedarf besteht – ohne Risiko einer langfristigen Fehlinvestition.

Neben der grundsätzlichen Flexibilisierung stellt der Einsatz von Hyperscalern für die Unternehmen einen Geschwindigkeitsvorteil dar: Um Ressourcen hinzuzunehmen oder zu reduzieren, muss nicht erst Hardware beschafft oder zurückgebaut werden. Hyperscaler setzen auf Software-definierte Zuteilungen der Ressourcen, sodass die Nutzung ihrer Services vollautomatisiert durch den Kunden gesteuert werden kann. Damit können innerhalb weniger Minuten neue Systemlandschaften infrastrukturseitig zur Verfügung gestellt oder höherwertige PaaS-Dienste genutzt werden.

Flexibilität hat ihren Preis

Hyperscaler bieten unterschiedliche Preismodelle an. Um von größtmöglicher Flexibilität zu profitieren, stehen „Pay-as-you-go“-Modelle zur Verfügung. Hierbei bezahlen Kunden nur die tatsächlich genutzten Ressourcen und können diese sehr kurzfristig variieren. Das Risiko ungenutzter Hardware liegt damit einseitig beim Anbieter. In Folge ist die einzelne genutzte Einheit vergleichsweise teuer. Für attraktivere Konditionen gibt es Möglichkeiten, sich zu einer Mindestnutzung des Abnahmevolumens oder festen Laufzeiten zu verpflichten. Die Möglichkeiten hierzu variieren unter den Anbietern deutlich. Zudem unterscheiden sich die Services, die die Hyperscaler auf IaaS- und PaaS-Ebene anbieten, von Region zu Region.

Die Herausforderung liegt in der graduellen Abwägung zwischen Flexibilität und Verpflichtung, um für die jeweilige Kundensituation und den erwarteten Ressourcenbedarf die optimalen Konditionen zu erzielen. Erschwert werden diese Überlegungen dadurch, dass einerseits die Prognose von Ressourcenbedarfen gerade für neue Anwendungsfälle schwierig ist und andererseits die Angebote der Hyperscaler nur sehr aufwändig miteinander vergleichbar sind. Letzteres liegt z. B. an unterschiedlich dimensionierten virtuellen Maschinen oder Kombinationen von Services mit unterschiedlichen Metriken.

Multi-Cloud

Die Nutzung von Cloud-Diensten schafft hohe Abhängigkeiten, die u. a. durch den parallelen Einsatz mehrerer Anbieter kompensiert werden können. Dieses Vorgehen wird als Multi-Cloud bezeichnet und führt neben der Risikoreduktion dazu, dass die identifizierten Schwächen eines Anbieters in bestimmten Bereichen mit überzeugenderen Services eines anderen Anbieters gezielt ausgeglichen werden können. Dieser Ansatz bietet zwar viele Vorteile, steigert jedoch gleichzeitig weiter die Komplexität. Zudem steht er der Nutzung differenzierender Services eines Anbieters entgegen.

Die Finanzierung: CapEx vs. OpEx

Die Nutzung von On-Premise-Systemen und Cloud-Computing unterscheidet sich nicht nur in der Technologie, sondern auch in der Finanzierung. Für die Beschaffung eigener Hardware fallen Investitionen an (Capital-Expenditure, CapEx). Diese müssen zum Investitionszeitpunkt bezahlt werden, können im Betriebsergebnis jedoch nicht vollständig, sondern nur entsprechend ihrer Abschreibung geltend gemacht werden. Beim Einsatz von Hyperscalern wird die Infrastruktur gemietet und nicht gekauft. Die anfallenden Kosten (Operational Expenditure, OpEx) können im jeweiligen Jahr vollständig geltend gemacht werden. Betriebswirtschaftlich betrachtet wird dadurch, dass große Investitionen wegfallen, weniger Kapital gebunden. Je nach Unternehmenssituation kann sich dies als vorteilhaft erweisen und für die Nutzung von Cloud-Services anstelle von Ressourcen im eigenen Rechenzentrum zusätzlich motivieren.

Hyperscaler und SAP

Die Vorteile des Einsatzes von Hyperscalern können sich Kunden auch für den Betrieb von SAP-Lösungen zunutze machen. Die nachfolgenden Szenarien verdeutlichen dies anhand von drei Anwendungsfällen:

  • Szenario 1: Hyperscaler können anstelle eines eigenen Rechenzentrums die technische Grundlage für den Betrieb von SAP-On-Premise-Produkten bilden. Das gilt genauso für langjährig bewährte Produkte, wie z. B. die Business Suite, wie für aktuelle Lösungen, wie etwa S/4HANA. Dabei variieren die Ansätze vom Betrieb einzelner Systeme, z. B. Entwicklungs-, Test- oder Projektsysteme, bis hin zur kompletten Verlagerung der SAP-Landschaft in die Public Cloud.
  • Szenario 2: SAP bietet mit der Cloud Application Library (CAL) eine Auswahl vorkonfigurierter Demosysteme zum Kennenlernen von SAP-Produkten. Aus einer Bibliothek verfügbarer Systeme können Kunden eine Anwendung auswählen und mit wenigen Klicks bei einem Hyperscaler ihrer Wahl in Betrieb nehmen.
  • Szenario 3: Diverse SAP-Cloud-Produkte werden mit Hilfe von Hyperscalern betrieben. Die Auswahl des Hyperscalers und die Auswahl der Region können hierbei deutliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Services haben. Besonders deutlich wird dies bei näherer Betrachtung der SAP Cloud Platform (SCP). Die SCP ist das strategisch positionierte Platform-as-a-Service-Angebot von SAP, das für Erweiterungs- oder Integrationsszenarien zum Einsatz kommt, und stellt das zentrale Bindeglied einer hybriden oder Cloud-basierten SAP-Landschaft dar. Je nachdem, ob ein SAP-Rechenzentrum bzw. welcher Hyperscaler gewählt wurde, stehen unterschiedliche Services zur Verfügung.

Platform-as-a-Service: Mehr als nur Infrastruktur

Das Portfolio der Hyperscaler umfasst deutlich mehr als „nur“ Infrastructure-as-a-Service. Sämtliche Hyperscaler bieten zusätzlich höherwertige Services an, die vorrangig bei der Anwendungsentwicklung eingesetzt werden. Dazu zählen als Grundlage u. a. Laufzeitumgebungen, um eigene Applikationen zu betreiben, Entwicklungswerkzeuge, die den gesamten Lebenszyklus einer Anwendung umfassen, und Integrations-Tools, um die eigene Anwendung zum Bestandteil einer hybriden Gesamtlandschaft werden zu lassen. Erweitert werden diese grundlegenden Services durch eine Vielzahl von Mehrwertdiensten, die z. B. Bild- und Spracherkennung, IoT-Anbindungen, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, Übersetzungsdienste, analytische Funktionen, Datenbanken und viele weitere Services umfassen. Mit Hilfe dieser Services können dann je nach Anforderung sowohl SAP-Prozesse erweitert als auch komplett eigenständige Anwendungen erstellt werden. Die PaaS-Angebote der Hyperscaler und das Service-Portfolio der SAP-Business-Technology-Plattform stehen sich ambivalent gegenüber: In Teilen ergänzen sich die Services sinnvoll, sodass der gleichzeitige Einsatz von Business-Technology-Plattform und Hyperscaler-PaaS-Diensten sinnvoll ist. In anderen Fällen bieten SAP und die Hyperscaler konkurrierende Angebote an.

Fazit und Stolpersteine

Der Einsatz von Cloud-Computing bietet Chancen zu mehr Flexibilität und Zugriff auf Technologien, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit auszubauen und sich weiter zu differenzieren. Neben der Flexibilisierung der Infrastruktur stellen dabei vor allem die PaaS-Dienste einen immer wichtigeren Baustein heutiger Software-Architekturen dar und vereinfachen bzw. beschleunigen die Anwendungsentwicklung. Auch für den Betrieb, die Integration und die Erweiterung von SAP-Lösungen sind Hyperscaler relevant.

Um das Potenzial des Cloud-Computing nutzen zu können, müssen Unternehmen jedoch auch gewisse Hürden meistern. Bei den genannten Hyperscalern handelt es sich z. B. um US-amerikanische bzw. chinesische Unternehmen, was im Zusammenhang mit der EU-datenschutzkonformen Verarbeitung personenbezogener Daten die eine oder andere Frage aufwirft. Unternehmen müssen sich sorgfältig mit diesen Datenschutzfragen auseinandersetzen. Darüber hinaus müssen sie sich, wenn sie auf IaaS- oder PaaS-Lösungen zurückgreifen, intensiv mit IT-Sicherheit befassen. In der Cloud gilt das Shared-Responsibility-Prinzip, d. h. sowohl der Anbieter als auch der Kunde sind für bestimmte Sicherheitsaspekte verantwortlich. Um den sicheren Betrieb der eigenen Anwendungen zu gewährleisten, sind entsprechende Qualifikationen erforderlich. Gleiches gilt für das breite Spektrum neuer Technologien und Methoden, die bei der Nutzung von Cloud-Services relevant sind.

Ungeachtet der Hürden ist das Potenzial des Cloud-Computing jedoch enorm. Dabei geht es nicht um Cloud oder On-Premise, sondern um die sinnvolle Kombination und das Beste aus beiden Welten. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre individuelle Strategie für den Weg in die Cloud zu erarbeiten und konsequent zu verfolgen.

Bildnachweis: DSAG, iStock, shutterstock

Autor: Steffen Pietsch
blaupause-Gastautor
DSAG-Fachvorstand Technologie
blaupause@dsag.de

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