„Nicht immer als Erste die Hand heben!“

Franziska Niebauer* ist eine der jungen IT-Expertinnen, die unsere Gesellschaft und Unternehmen so dringend brauchen. Mit SAP kam sie während des Wirtschafts­ingenieurstudiums in Kontakt, heute ist sie SAP-Inhouse-Beraterin bei der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Dort freut sie sich über flache Hierarchien und ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern im SAP-Team selbst. Sie fordert aber generell deutlich mehr Frauen in Führung und Vorstand, da Männer nach ihrem Empfinden immer noch stärker wahrgenommen und öfter befördert werden.

Frau Niebauer, Sie gehören zu den jungen Tech-Professionals, die an allen Ecken und Enden benötigt und gefordert werden. Wie war Ihr Weg dorthin?

Franziska Niebauer: Nach dem Abitur machte ich eine kaufmännische Ausbildung und durfte dort mit SAP Material Management (MM) arbeiten. Nach abgeschlossener Ausbildung arbeitete ich ein paar Monate in dem Beruf und wechselte dann spontan an die Universität Cottbus, um Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Dort habe ich in einem SAP-Kurs erste Enterprise-Ressource-Planning (ERP)-Systeme kennen- und programmieren gelernt. Praktische Erfahrung habe ich dann direkt nach dem Studium in einer SAP-Beratung mit Environment Health & Safety (EHS) gemacht, allerdings größtenteils autodidaktisch. Was mich aber nicht von meinem Weg abgebracht hat, ganz im Gegenteil: Neugier und Interesse waren geweckt!

Und was motiviert Sie heute in Ihrem Beruf am meisten, was macht Spaß?

Für mich ist mein Beruf nach wie vor sehr spannend und abwechslungsreich, und auch wenn es sich abgedroschen anhören mag: Ich liebe es, jeden Tag etwas Neues zu lernen! Als SAP-Applikationsberaterin und Service-Managerin Non-SAP-Services ist mein Arbeitsfeld in der LEAG als großem Energieunternehmen relativ breit aufgestellt und geht teilweise auch über SAP hinaus, etwa was die IT-Sicherheit und IT-Infrastrukturen betrifft, aber auch den B2C-Online-Shop.

Wie ist das Verhältnis Frauen/Männer in Ihrem Unternehmen? Was bemerken Sie?

Wir haben eine junge SAP-Team-Leiterin und unser Team ist insgesamt relativ ausgewogen aufgestellt. Ich kenne aber auch viele Einzelkämpferinnen und Wissensträgerinnen, die autonom arbeiten, weil es an individueller Wertschätzung und Sichtbarkeit gerade in männlich geprägten Führungsstrukturen fehlt.

Wo sehen Sie im Job nach wie vor die größten Unterschiede im Verhalten?

Frauen wollen den anderen abholen. Wir fragen immer: Was wollt ihr, wie können wir euch bestmöglich unterstützen? Viele von uns nehmen den anderen gerne an die Hand. Oder sagen relativ schnell: Ich mache das! Davon profitieren vor allem die Führungsebenen. Delegieren muss man lernen. Ich habe mir diesen Drang, als Erste die Hand zu heben und mich zu melden, abgewöhnt.

Realität in Deutschland: Der unerfüllte Wunsch nach Gleichberechtigung
Realität in Deutschland: Der unerfüllte Wunsch nach Gleichberechtigung

Bergbau, Kraftwerk, Braunkohleverstromung, da kann der Ton mitunter rauer sein. Wie erleben Sie Ihr Umfeld noch?

Das ist klar noch eine Männerdomäne, aber auch wir haben und brauchen einen Wandel innerhalb der Unternehmensstruktur und -kultur. Ich finde die gesetzlichen Vorgaben zur Gender-Gleichstellung gut und notwendig, anders bewegt sich da nichts. Allerdings vermisse ich eine neue Denkweise, und dank „Mini-Me“ (s. Glossar) bleiben Führungsriegen nach wie vor männlich geprägt. Es ist, wie so vieles, Kopfsache: Erstens müssen vor allem Frauen selbst verstehen, dass sie genauso gut führen können wie Männer. Und Letztere müssen das akzeptieren. Wandel ist harte Arbeit, teils auch unbequem. Und er gelingt nur, wenn die Spitze diesen Wandel konsequent lebt und unterstützt.

Glossar: Mini-Me

„Gleich und gleich gesellt sich gern“ lautet eine alte Volksweisheit. In vielen Unternehmen ist es ähnlich. Bei der Personalauswahl dominiert v. a. die Frage, welche der Bewerberinnen und welcher der Bewerber von der Persönlichkeit am besten ins Team und ins Unternehmen „passt“. Oder anders formuliert: Wer ähnlich tickt wie die künftigen Mitarbeitenden und ganz speziell der oder die Vorgesetzte, hat als Bewerberin oder Bewerber häufig die größte Chance. ­Daraus folgt: Kein Ideenreichtum, keine Kreativität, keine Diversität. Statt fortschrittlichem Denken regiert im Unternehmen dann das Prinzip der Uniformität. Es kommt zu einer homogenen „Fortpflanzung“ der Gruppe, die aus Leuten mit demselben Geschlecht, demselben Alter, einem ähnlichen sozialen Background, einem ähnlichen schulischen und beruflichen Werdegang besteht.

Welchen Teil leisten Sie?

Ich arbeite mit Kolleginnen aktiv an der Gründung einer WomenInBusiness-Initiative bei LEAG. Wir sind überzeugt davon, dass eine Initiative, die von den Mitarbeitenden selbst gegründet und vorangetrieben wird, mehr Durchschlagskraft hat. Dieser Weg ist eindeutiger, ehrlicher und wirksamer als „von oben“ Aktionismus verordnet zu bekommen.

Was genau wollen Sie zur Frauenförderung bei LEAG umsetzen?

Wir planen verschiedene Projekte zur Förderung, für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz. Ich habe in meinem Team zwar eine weibliche Team-Leitung, in der Ebene darüber sind jedoch kaum noch Frauen anzutreffen. Wir wollen klare Kriterien erarbeiten, wie Management-Positionen für Frauen und Mütter attraktiver werden. Dazu gehört Female Empowerment durch internes Networking, externe Impulse und fachlichen Austausch. Und ganz klar auch ein Sparring auf Augenhöhe mit den Entscheidern. Wir fordern im ersten Schritt sicher noch keine Quoten, aber es ist eine gesonderte Mandatierung in Gremien und Prozessen notwendig, um unsere Belange stärker zu vertreten.

Ich habe mir diesen Drang, als Erste die Hand zu heben und mich zu melden, schon lange abgewöhnt.

Franziska Niebauer, SAP-Inhouse-Beraterin bei Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG)

Franziska Niebauer

SAP-Inhouse-Beraterin, Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG)

Was müssen Unternehmen und Gesellschaft tun, um mehr Frauen und auch schon Mädchen für Jobs in der Tech-Branche und auf der Management-Ebene zu begeistern?

Viel mehr nach außen gehen! Und zwar mit Vorbildern mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Altersstufen, gerne auch mit den vielen Quereinsteigerinnen, die wir haben. Und gerne auch mit Leuten, die Ecken und Kanten haben und auch einmal unbequeme Fragen stellen und Forderungen haben. Und die Arbeitgeber selbst müssen auch viel klarer kommunizieren, was ein Job in der Branche bedeutet: Für kommende Generationen geht es längst nicht mehr nur um monetäre Anreize, das ist klar.

Irgendwelche konkreten Ideen?

Wir müssen bei besagter Kommunikation schneller springen, um die Digital Natives adäquat abzuholen. Etwa mit interaktiven Plattformen zum ersten Kennenlernen von Nachwuchs und potenziellem Arbeitgeber – der klassische Bewerberprozess hat bald ausgedient. Weibliche Role-Models mit hohem Identifikationsfaktor und Authentizität müssen noch früher in die Schulen gehen, um zu informieren und motivieren. In Tech-Berufen wie im Handwerk, das gilt branchenübergreifend.

Sie gehören zum Kernteam bei Women@DSAG. Welche Erwartungen haben Sie?

Ich wünschte mir mehr Sprecherinnen für die Arbeitskreise und Arbeitsgruppen. Und dafür bräuchte es meiner Meinung nach mehr Aufklärungsarbeit bzw. Informationsveranstaltungen: Was bringt eine solche Aufgabe mit sich? Welche Fähigkeiten sollte ich mitbringen? Und welche Verantwortung übernehme ich? Des Weiteren wäre es eine tolle Idee, sich in der Initiative und auch darüber hinaus umzuhören, die Frauen zu fragen: Wie geht es euch? Was bewegt euch? Wie fühlt ihr euch? Was braucht ihr? Wir brauchen dringend mehr Gespräche, Diskussionen und Austausch miteinander.

Mit Ihrem heutigen Wissen: Gibt es etwas, das Sie anders machen würden?

Nicht viel. Eventuell nach dem Abitur direkt studieren, ohne den Umweg Ausbildung, auch wenn dies nur ein kurzes Gastspiel war. Aber grundsätzlich habe ich einen tollen Job mit tollen Kolleginnen und Kollegen, einer spannenden Arbeit, die mich immer wieder fordert, bei der ich jeden Tag etwas Neues lerne und viele Weiterentwicklungschancen habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

* Zum Zeitpunkt des Interviews arbeitete Franziska Niebauer noch bei LEAG und wechselte in Q1/2022 als Beraterin SAP ISH Med zu den Helios Kliniken.

Women@DSAG

Ziel der Initiative Women@DSAG, der inzwischen über 1.000 weibliche DSAG-Mitglieder angehören, ist es, Frauen in der DSAG sichtbar zu machen, zu fördern und zu vernetzen. Women@DSAG dient als Plattform, um berufliche Kontakte zu knüpfen sowie Erfahrungen und Expertise auszutauschen, indem sie die Frauen in der DSAG vernetzt, den Austausch zu den Herausforderungen im Beruf ermöglicht und das Thema Chancengleichheit im Arbeitsalltag beleuchtet.

Bildnachweis: DSAG

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Autorin

Autorin: Sarah Meixner
blaupause-Redaktion
blaupause@dsag.de

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