Ein Mosaikstein für das Big Picture

Mosaik Jowat

Im Rahmen einer groß angelegten Transformation zu S/4HANA hat die Jowat SE ihr gesamtes SAP-ERP-System migriert. Ein Schwerpunkt war der Bereich Finanzen. Effizientere Prozesse, die Notwendigkeit, die integrierte Planung neu zu evaluieren, und die Erkenntnis, dass durch eine Simplification-List nicht zwangsläufig alles einfacher wird, stehen am Ende dieses Teilprojekts.

Das S/4HANA-Projekt beim Klebstoffhersteller Jowat mit Sitz in Detmold bildet die Grundlage für viele aktuelle und anstehende Themen. Es schafft die technische Basis, um flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren und diese technologisch umzusetzen. Die Migration ist der erste Schritt in einem „Big Picture“, das in einem Fünfjahresplan definiert, wohin sich die Systeme und Prozesse langfristig entwickeln sollen. S/4HANA ist dabei die zentrale Komponente, auf der nach und nach weitere Themengebiete umgesetzt werden, wie z. B. das Enterprise Warehouse Management (EWM), FIORI, Integrated Business Planning (IBP) und CX.

Der Weg zu S/4HANA ist als Transformation angelegt, aus gutem Grund. „Wir haben gut funktionierende Kernprozesse, die einem in­ternen Standard folgen. Daher hatten wir keinen Grund, diesen in einem Greenfield-Ansatz neu zu definieren“, erzählt Stefan Diederich, IT & BPS, Teamleiter Finance & Controlling bei der Jowat SE. Außerdem sah er in der Konvertierung den Quick Win, die technologische Grundlage für neue Themen zu schaffen.


Weitreichende Auswirkungen

Rund 80 Prozent der Migration des Bereichs Finanzen auf S/4HANA verliefen problemlos. Aber bei den restlichen 20 Prozent kam der Prozess etwas ins Stocken. Der Grund: SAP hat über die letzten 25 Jahre die inhaltliche Prüfung der Daten hinsichtlich ihrer Datenqualität deutlich erweitert. Dadurch entsprechen gewisse Altdaten vielleicht nicht mehr den aktuellen Standards, und Einzelposten passen nicht mehr mit den Salden übereinander. „In S/4HANA wird z. B. in der Anlagenbuchhaltung die ganze Anlagenzeit, gegebenenfalls auch auf 25 Jahre, neu durchkalkuliert und berechnet. Da können natürlich Fehler ans Licht kommen, die fünf oder zehn Jahre zurückliegen und nun korrigiert werden müssen“, beschreibt Stefan Diederich.

Simplification-List umsetzen

Ein Großteil der Arbeit bestand jedoch darin, die relevanten Punkte in der sogenannten Simplification-List (siehe Kasten) zu identifizieren und umzusetzen. Herausfordernd dabei waren die Themengebiete, in denen SAP in der Vergangenheit mehrere Produkte oder Lösungen hatte, die nun in S/4­HANA auf den Standard zurückgeführt wurden. „Gerade beim Kredit-Management sind auf den ersten Blick sehr unscheinbare Themen dabei, wo man detailliert schauen muss, was sich genau verändert hat. Es ist meist nicht nur eine neue Oberfläche, die nun anders zu bedienen ist“, weiß Stefan Diederich. Letztlich müssen alle Module, bei denen etwas wegfällt und durch etwas Neues ersetzt wird, neu implementiert werden.

Cockpit wichtiger als Geschwindigkeit

Mit den neuen Möglichkeiten in S/4HANA lässt sich natürlich der eine oder andere Ablauf nun deutlich effizienter gestalten, etwa die Listenanzeigen der Kundenaufträge. Oder auch der elektronische Kontoauszug, bei dem schnell eine beachtliche Zeitersparnis registriert wurde. Doch der maßgebliche Vorteil liegt für Stefan Diederich nicht in der reinen Geschwindigkeit. „Die neu geschaffenen Cockpit-Funktionen, um Daten aggregiert darzustellen und sehr detailliert in die Tiefe gehen zu können, gab es vorher so nicht. Ein Kalkulationslauf über 400 Gesellschaften dauerte z. B. früher gut und gerne sechs bis acht Stunden, heute sind es noch 40 Minuten.“

Klassisches Hauptbuch sorgt für Aufwand

Also viel Licht, das S/4HANA in der Finanzwirtschaft von Jowat verbreitet. Aber es gab auch ein paar schattige Stellen in dem Projekt. Eine war das alte Hauptbuch, das noch im Einsatz war und parallel zum Go-live umgesetzt werden musste. Technisch kein Problem, aber aus Business-Sicht ein Thema für Schulungen und Tests. Denn SAP geht davon aus: Wer auf S/4HANA migriert, kommt vom neuen Hauptbuch und kann folglich z. B. Hinweise nutzen, die ausweisen, welche Transaktionen und welche Funktionen wegfallen und welche stattdessen zu verwenden sind. Zudem gibt es Migrationswege für das Customizing der entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften. Aber welche Transaktionen und Prozesse sich vom alten auf das neue Hauptbuch verändert haben und welche sich beim Schritt nach S/4HANA dann noch einmal verändern, muss man selbst ermitteln. „Das ist ein Teilprojekt für sich, da es z. B. für den Monatsabschluss neue Transaktionen gibt, und andere dafür wegfallen“, beschreibt Stefan Diederich.

Integrierte Planung nur noch in Excel

Eine weitere Herausforderung ergab sich bei der integrierten Planung, ebenfalls ein Bestandteil der Simplification-List. Für Stefan Diederich „unglücklicherweise“, denn nach der Migration kann nicht mehr auf Gewinn- und Verlust-Konten geplant werden. Bis dahin erfolgte der Prozess rein über den SAP-Standard. Folglich gab es dafür keine Add-ons oder andere Tools. Nur wer vom neuen Hauptbuch kommt, kann die Funktion über das Customizing reaktivieren. So wird nun wieder in Excel geplant. Aber vielleicht nicht mehr lange. „Das gibt uns die Chance, die gesamte Planung zu evaluieren und ein Tool zu suchen, das zu unserer strategischen Ausrichtung passt.“ Das wird voraussichtlich noch in diesem Jahr geschehen, und die SAP Analytics Cloud könnte zu den Kandidaten gehören.

DSAGNet zum Erfahrungsaustausch

Gerade das Thema integrierte Planung wurde im DSAGNet heiß diskutiert und folglich war die Plattform für Stefan Diederich eine wichtige Anlaufstation. „Ich verfolge vorrangig die Arbeitskreise und -gruppen rund um das Thema Financials (FI), Controlling und S/4HANA. Aus den dort geteilten Erfahrungen heraus kann man gut einschätzen, wie andere bei der FI-Planung agieren. Aber auch, welche generellen Handlungsfelder es sonst noch gibt und wie da der Stand der Dinge ist. Dafür ist das DSAGNet ideal.“

Das Haus der Technik bündelt alle anwendungstechnischen Einheiten der Jowat Unternehmensgruppe in Detmold.

Arbeitspakete definieren

Für Unternehmen, die gerade in einem S/4­HANA-Projekt stecken, hat Stefan Diederich ein paar Ratschläge. „Wenn das System nicht komplett neu gestaltet werden soll, definieren Sie zielgerichtete Arbeitspakete bzw. Projekte, mit denen Sie in verhältnismäßig kurzer Zeit live gehen können.“ Das bringt einen konkreten Vorteil: Man erhält ein lauffähiges S/4HANA-System, auf dem weitergearbeitet und die Projekte vorangebracht werden können. Es fällt dann leichter, so die Erfahrung von Stefan Diederich, neue Themen zu bewerten und richtig einzuordnen.

Klar ist auch: „Es hat sich viel verändert, sei es z. B. im Kredit- oder Bonus-Management. Da braucht es gemeinsam mit den Key-Usern aus allen Bereichen schon ein paar Testwochen“, erläutert Stefan Diederich. Das hat Ressourcen gebunden, aber die Unterstützung des Vorstands war dem Team gewiss. „Die Vorstände haben klar kommuniziert, dass in diesem Jahr S/4HANA auf dem Programm steht, wo dabei der Fokus liegt und wann der Go-live geplant ist. Da hat den Stellenwert des Projekts nochmal erhöht.“

Die Fokussierung auf das S/4HANA-Projekt sowie wenige strategische Themen war für Stefan Diederich entscheidend für den Erfolg. Die verfügbaren Ressourcen wurden gebündelt und zielgerichtet eingesetzt, so konnte es keine Reibungsverluste durch gegebenenfalls konkurrierende Projekte geben. Denn eine weitere wichtige Erkenntnis hat der Teamleiter Finance & Controlling zudem gewonnen: „Ich glaube, es ist möglich, ein S/4­HANA-Projekt parallel mit anderen Projekten zu realisieren. Aber man sollte es nicht tun. Denn falls sich ungeplante Herausforderungen ergeben, können schnell die Ressourcen knapp werden.“ Die Überführung des Finanzsektors war einer der Mosaiksteine des S/4­HANA-Projekts bei Jowat. Weitere werden folgen und das geplante Zukunftsszenario der Systeme und Prozesse nach und nach zum Big Picture vervollständigen.

Bildnachweis: Daniella Winkler, Jowat SE

Thomas Kircher

Autor: Thomas Kircher
blaupause-Redaktion
blaupause@dsag.de

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