Von gläsernen Höfen und durchsichtigen Milchtüten

Bio-Produkte zu kaufen, ist das Eine. Aber wie können Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein, dass auch tatsächlich „Bio“ drin ist? Zahlreiche Gütesiegel versprechen Klarheit, doch lückenlos zurückverfolgen lassen sich gekaufte Lebensmittel oft nicht. Das hat die genossenschaftliche Molkerei Schwarzwaldmilch jetzt geändert. Mit einem Internet-of-Things-Ansatz und der SAP Cloud Platform (SCP) hat das Freiburger Unternehmen seine Bio-Heumilch als weltweit erstes Produkt mit einem innovativen Transparenz-Code ausgestattet.

Dr. Andreas Helm, Projektmanager New Business bei der Schwarzwaldmilch GmbH

Wer seinen Blick im Supermarkt schweifen lässt, bleibt immer wieder an Labels hängen zu Qualitäts-, Herkunfts-, Haltungs- und Tierwohlthemen. Alle Gütesiegel haben jedoch gemein, dass sie vollkommen statisch sind. „Wirkliche Transparenz liefern diese Siegel nicht“, ist sich Dr. Andreas Helm, Projektmanager New Business bei Schwarzwaldmilch, sicher. Dabei sind das Wohlergehen der Tiere, kurze Transportwege im Sinne des Klimaschutzes, eine schonende Produktion und beste Produktqualität heutzutage wichtiger denn je. „Wir wollen deshalb vollständige Transparenz schaffen und unseren Kunden auf einfachstem Weg aufzeigen, woher ihre Milch exakt kommt und wann sie unter welchen Bedingungen produziert wurde“, so Dr. Andreas Helm. Im Klartext: Schwarzwaldmilch wagt den Versuch mit gläsernen Höfen und durchsichtigen Milchtüten.

In Echtzeit zurückverfolgen

Zu diesem Zweck hat Schwarzwaldmilch mit ihrem Partner die Plattform „YoY“ ins Leben gerufen. Über sie lässt sich zurückverfolgen, was auf den Erzeugerhöfen passiert. Sie ermöglicht es, Chargen-bezogen ein bestimmtes Produkt von Schwarzwaldmilch lückenlos zurückzuverfolgen bis zum einzelnen Bauernhof – und das in Echtzeit. „YoY greift dazu auf die Daten der jeweiligen Erzeugerbetriebe zurück. Diese sind im ERP-System von Schwarzwaldmilch hinterlegt“, so Dr. Andreas Helm. Dabei handelt es sich um Informationen zu den Höfen, wie Herdengröße, Weidefläche und Bildmaterial. „Aber auch die Koordinaten des Milchsammelwagens, die Milchannahmetemperatur und der Abholzeitpunkt werden bei uns im ERP-System hinterlegt und entsprechend den Chargen-Informationen in die Cloud überspielt“, erläutert Dr. Andreas Helm. Die Erzeuger selbst haben darüber hinaus für ihre Daten keine eigenen ERP-Systeme im Einsatz.

Richtig verknüpft, lassen sich so die Unternehmensprozesse über die gesamte Lieferkette hinweg jeder einzelnen Einheit des Endproduktes zuordnen. Um immer auf Echtzeitdaten aus allen Bereichen zugreifen zu können, werden außerdem Internet-of-Things-Sensoren eingesetzt. Spezielle Bio-Sensoren sollen zudem künftig alle relevanten Daten direkt von den Kühen melden. Die Informationen sollen dann vom Milchsammelwagen per Mobilfunknetz übertragen werden.

QR-Code für Hintergrundinformationen

Eingesetzt wird die neue Plattform derzeit für das Produkt „Bio-Heumilch“. Hier wird jede Verpackung bei der Abfüllung mit einem individuellen QR-Transparenz-Code versehen. „Kunden müssen nur ihr Smartphone an die Verpackung halten, die das YoY-Transparenzsiegel trägt, und sie bekommen alle relevanten produktbezogenen Hintergrundinformationen für jede einzelne Milchpackung“, so der Experte. Dazu zählen unter anderem das genaue Abholdatum der Milch, wie viele Kühe von welchen Höfen zur Milch beigetragen haben, und die Temperatur beim Abfüllen. Zudem erhalten sie einen Einblick in die verschiedenen Höfe und Tierwohlaspekte wie Weidefläche pro Kuh und Massagebürsten. „Kunden können darüber hinaus auch die zurückgelegten Kilometer mit dem Milchsammelwagen prüfen sowie den exakten Tag der Abfüllung“, erläutert Dr. Andreas Helm.

Gesammelt werden die Daten aus dem kompletten Herstellungsprozess vom Bauernhof bis zum Supermarkt wie beschrieben teilweise mit internetfähigen Sensoren. Gebündelt wird das Ganze auf der SAP Cloud Platform (siehe Glossar). „Kunden müssen nicht mal eine App runterladen. Sie scannen einfach den QR-Code auf ihrer Milchpackung und lassen sich schließlich in ihrem Browser alle relevanten Daten anzeigen“, so Dr. Andreas Helm. Außerdem bietet Schwarzwaldmilch auch eine exklusive YoY-App an, über die das Unternehmen weitere Marketing-Maßnahmen generiert. So warten nicht nur Videos von den Betrieben und Bauern, sondern auch Rezeptvorschläge und ein Gewinnspiel auf die Nutzer.

Mit einem IoT-Ansatz und der SAP Cloud Platform hat die Schwarzwaldmilch GmbH ihre Bio-Heumilch als weltweit erstes Produkt mit einem innovativen Transparenz-Code ausgestattet.

Design-Thinking als Vorarbeit

Die Daten werden pro Woche auf der SAP Cloud Platform gebündelt. In dem Distributed Ledger – einer privaten Cloud – werden zirka 100 Megabyte Daten wöchentlich aus der Produktion abgelegt. Hier werden zudem Daten gespeichert, welche zu einem späteren Zeitpunkt über spezielle Analyse-Tools noch ausgewertet werden können. Die Datenmenge in der Public Cloud ist mit zirka 50 Megabyte pro Woche entsprechend kleiner. Hier werden nur die Daten übertragen, die den Kunden schließlich in der App angezeigt werden.

Für die SCP hat sich Schwarzwaldmilch vor allem entschieden, weil auch das im Haus genutzte ERP-System von SAP stammt und somit die Nähe zum Software-Hersteller bereits gegeben war. Und die Entscheidung hat das Unternehmen bisher nicht bereut – wenngleich es zu Beginn doch noch die eine oder andere Kinderkrankheit zu überstehen galt. So gab es z. B. anfangs bei der Datenübermittlung Probleme mit der Geschwindigkeit. Diese konnten jedoch schnell gelöst werden und seither läuft die Plattform reibungslos.

In Freiburg produziert die Schwarzwaldmilch GmbH unter anderem Milch, Butter, saure Milchprodukte, Milchmischgetränke, Desserts und Brotaufstriche. Am Standort Offenburg werden Milchpulver und diverse Lebensmittelzusatzstoffe hergestellt.

Kein Wunder, bei der Vorarbeit. Hier empfiehlt der Experte, ausreichend Zeit zu investieren. „Schauen Sie sich Ihre Daten vorher genau an. Sie werden feststellen, dass es viel zu viele gibt und Sie sehr genau selektieren müssen“, erläutert Dr. Andreas Helm. Schwarzwaldmilch hat das Problem so gelöst, dass zunächst der Datenbestand aufgenommen und anschließend qualifiziert wurde. „Wir haben uns die Frage gestellt: Was interessiert die Verbraucherinnen und Verbraucher? Die Antwort haben wir dann mittels Design-Thinking-Ansatz gefunden“, so Dr. Andreas Helm.

Parallel wurden die technischen Voraussetzungen an den Produktionsanlagen für die QR-Code-Anbringung geklärt. „Bei der Datenanbindung der Drucker und der Transportbänder an den Anlagen standen wir vor Herausforderungen. Schließlich musste alles in die Maschinensteuerung und in die SAP-Welt der Schwarzwaldmilch integriert sein“, erläutert der Experte. Nachdem das und die Daten- und Hardware-Themen geklärt waren, wurde zunächst in einem Sandbox-System getestet – auch, um zu sehen, wie die Daten später ausgespielt werden. Getestet wurden der komplette Prozess der Datenerfassung, Datenauswahl, Aggregation, Chargenzuweisung, die Über­tra­gung in die Cloud sowie das Design und die Anzeige in der mobilen App.

Wettbewerbsvorteil: neue User-Experience

Wenngleich die Plattform noch nicht lange am Markt ist, so ist sich Schwarzwaldmilch dennoch sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. „Die völlig neue User-Experience mit YoY hebt die Schwarzwaldmilch-Produkte deutlich vom Wettbewerb ab. Als Hersteller können wir so proaktiv alle tiefgreifenden Fragen zur Herkunft jeder einzelnen Milch beantworten – und zwar ohne dass der Verbraucher mit uns in Kontakt treten muss“, beschreibt Dr. An­dreas Helm einen großen Vorteil der Plattform. Gleichzeitig gewinnt Schwarzwaldmilch auf diesem Weg wichtige Einblicke in das Nutzungsverhalten, während die Daten aus den IoT-Sensoren die Informationsbasis im Unternehmen verbessern. Und die Verbraucherinnen und Verbraucher? Bisher ist die Resonanz auf den YoY-Transparenz-Code positiv. Für Schwarzwaldmilch Grund genug, bereits die nächsten Ideen in Angriff zu nehmen. Anders als bei ihrer Bio-Heumilch wird hier jedoch noch keine völlige Transparenz geschaffen …

Bildnachweis: Schwarzwaldmilch GmbH Freiburg

Autorin: Julia Theis
blaupause-Redaktion
blaupause@dsag.de

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