Insolvenz gefährdet Lizenz

Grafik Rechtsfragen

Auch ein Software-Entwickler und Lizenzgeber kann insolvent werden, wenn seine Kunden in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Doch was passiert mit der Software, wenn die Lizenz plötzlich in die Insolvenzmasse fällt? Der Lizenznehmer kann sich vertraglich vor dem Verlust von Nutzungsrechten und Daten schützen, muss aber wissen, wie.

Die Insolvenzantragspflicht war coronabedingt lange ausgesetzt, daher rechnet man jetzt fest mit einer Insolvenzwelle. Zwar ist die IT-Branche nicht unmittelbar von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen, ihre Umsätze wachsen seit Jahren stetig an. Doch können die drohenden Pleiten auch Auswirkungen auf Software-Anbieter und ihre Produkte, Programme und Lizenzen haben, z. B. durch Zahlungsausfälle auf Kundenseite. Für den Lizenznehmer ist dann Gefahr im Verzug.

Insolvenzverwalter entscheidet

„Insolvente Lizenzgeber können existenzbedrohende Folgen für den betroffenen Lizenznehmer haben, da dieser darauf angewiesen ist, die Software weiter zu nutzen“, erläutert Dr. Alin Seegel, Rechtsanwältin in der Münchner Kanzlei CSW, das Problem. Der Lizenznehmer ist am besten aufgestellt, wenn sein Lizenzvertrag insolvenzfest ist, denn sonst kommt der Insolvenzverwalter ins Spiel. „Sollte der betroffene Lizenzvertrag dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterliegen, kann dieser entscheiden, ob ein beidseitig noch nicht vollständig erfüllter Vertrag fortgesetzt wird“, sagt die IT-Rechtlerin. „Entscheidet er sich für die Fortsetzung, bleibt die Lizenz bestehen. Entscheidet er sich dagegen, verliert der Lizenznehmer sein Nutzungsrecht gegebenenfalls entschädigungslos.“ Ihm bleibt dann nur noch, seinen Schadensersatzanspruch zur Insolvenztabelle anzumelden – Ausgang ungewiss.

„Der Lizenznehmer sollte sich die Möglichkeit offenhalten, kurzfristig Daten zu exportieren und komplikationslos zu einem anderen Anbieter zu wechseln“

Dr. Alin Seegel Rechtsanwältin in der Münchner Kanzlei CSW

Augen auf beim Kaufvertrag

Idealerweise ist der Lizenzvertrag so gestaltet, dass das Verwalterwahlrecht nicht greift (=„insolvenzfest“). Das ist am ehesten der Fall bei einem Lizenzkauf. Hier wird ein Nutzungsrecht an der Software gegen eine einmalige Zahlung eingeräumt – Ware gegen Zahlung, also ein klassischer Kauf. Ist bei Start des Insolvenzverfahrens die Lizenz bereits erteilt und der Kaufpreis gezahlt, ist der Vertrag erfüllt und der Verwalter hat folglich keine Entscheidung mehr darüber zu treffen. „Seit einem höchstrichterlichen Urteil aus dem Jahre 2019 gilt das selbst dann, wenn noch gewisse Nebenpflichten aus dem Vertrag offen sind“, betont Alin Seegel.

In der Praxis vereinbaren die Parteien bei einem Lizenzkauf oft im selben Vertrag auch die Ausführung von Updates und Patches. Hier ist Vorsicht geboten, warnt Alin Seegel: „Dann ist auf den gesamten Vertrag das Wahlrecht des Insolvenzverwalters anwendbar und der Vertrag daher nicht insolvenzfest.“ Denn die Update-Pflicht besteht dauerhaft, der Vertrag ist damit noch nicht erfüllt und der Insolvenzverwalter darf entscheiden, wie es mit dem „offenen“ Vertrag weitergeht.

Software-Miete nicht insolvenzfest

Das gilt ebenso für Lizenzverträge, die nur ein befristetes Nutzungsrecht an der Software gewähren und eher als Miete ausgestaltet sind. SAPs gängiges Lizenzmodell mit seiner verbrauchs- bzw. lizenzzahlabhän­gigen Vergütung fällt hierunter. „Neben der klassischen Software-Miete gehören Software-as-a-Service- (SaaS), Application-Service-Provider- (ASP), Cloud-Computing- und Softwareleasing-Verträge dazu“, weiß Alin Seegel und ergänzt: „Diese temporären Lizenzen sind nicht insolvenzfest.“

Es gibt jedoch einige juristische Kunstgriffe: Die Vertragsparteien können etwa im Voraus vereinbaren, dass unter bestimmten Bedingungen (und gegen ein zusätzliches Entgelt) aus einer temporären eine dauerhafte, also insolvenzfeste Lizenz wird. Als eine solche Bedingung kann etwa eine außerordentliche Kündigung im Fall der Insolvenz festgelegt sein. Möglich ist auch das „Vorschalten“ eines Hauptlizenznehmers, um zumindest für die Zukunft eine bestandskräftige Unterlizenz zu erhalten. Beides sind knifflige Vertragskonstruktionen, die aber von den Gerichten abgesegnet wurden.

Glossar

Escrow-Agentur
Eine Escrow-Agentur verwahrt als neutrale Treuhänderin den Software-Quellcode und gibt ihn unter den in der Hinterlegungsvereinbarung festgelegten Umständen an den Anwender heraus.

Quellcode sicher hinterlegen

Dem Lizenznehmer nützt das Nutzungsrecht langfristig nichts, wenn er die Software nicht auch pflegen und weiterentwickeln kann. Dazu braucht er den Quellcode und die dazugehörige Dokumentation, die an einem sicheren Ort verwahrt werden sollten. „Mit einer Quellcode-Hinterlegungsvereinbarung kann der Lizenznehmer eine gewisse Absicherung für den Insolvenzfall erreichen“, rät die Anwältin. Die Hinterlegung, etwa bei einer professionellen Escrow-Agentur (siehe Glossar), eigne sich insbesondere für hochpreisige Software. Aber auch hier sei die insolvenzfeste Formulierung der Vereinbarung eine echte Herausforderung, so Alin Seegel.

Schnell handeln, Daten sichern

Im Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des IT-Dienstleisters gilt es, als Kunde neben der Lizenz noch ein weiteres Gut zu sichern: die Daten. Hier ist schnelles Handeln gefragt. „Der Lizenznehmer sollte sich die Möglichkeit offenhalten, kurzfristig Daten zu exportieren und komplikationslos zu einem anderen Anbieter zu wechseln“, rät Alin Seegel. Auch wenn das für den Fall der regulären Vertragsbeendigung, etwa durch Kündigung, ausdrücklich vertraglich zugesichert ist, ist es für den Insolvenzfall noch lange nicht selbstverständlich, denn dann gelten andere Regeln. Es droht nicht nur der Verlust der Zugriffsmöglichkeit auf die Daten, sondern auch, dass diese in die Insolvenzmasse fallen. Eine Dateneigentumsklausel kann das im Vorfeld verhindern und sollte vorsorglich in jedem Vertrag mit dem IT-Dienstleister enthalten sein.

Wie im Falle einer Auftragsverarbeitung von Kundendaten (= personenbezogenen Daten) Insolvenz-, IT- und Datenschutzrecht ineinander spielen, ist noch nicht endgültig geklärt. Alin Seegel bezeichnet diese Situation als „heikel“ – womit die Insolvenz des IT-Dienstleisters aus Sicht seiner Kunden insgesamt gut beschrieben wäre. Was sonst noch hilft, um sich für diesen Fall abzusichern, ist ein alter Hut, aber immer noch wirkungsvoll: Gegen das Horrorszenario „Datenverlust“ das Back-up auf einem lokalen Server. Und gegen den Zugriff Unbefugter, etwa wenn der Insolvenzverwalter die IT-Systeme komplett veräußert: verschlüsselte Daten.

Bildnachweis: Alin Seegel, Münchner Kanzlei CSW, Daniella Winkler + iStock

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