Ein früherer oder späterer Umstieg, embedded oder dezentral: Das Warehouse- Management unter der neuen SAP-Produktgeneration eröffnet verschiedene Optionen.
Es ist weltweit bei Tausenden Unternehmen im Einsatz, doch Ende 2027, mit Auslaufen der Wartung in SAP Enterprise Resource Management (ERP) ECC, wird nun sein Ende eingeläutet. Die Rede ist vom SAP Logistics Execution System (LES) mit seinen Teilmodulen Warehouse Management (WM) und Transport (TRA). Ein potenter Nachfolger steht längst bereit: SAP Embedded Extended Warehouse Management (EWM), ein fest im Kern der neuen SAP-Produktgeneration S/4HANA verankertes Modul. Auch künftig stehen weitere Alternativen zur Auswahl. Neben Embedded EWM ist ein dezentrales EWM möglich, unter bestimmten Bedingungen kann man unter S/4HANA zunächst sogar mit WM bzw. dem SAP Stock Room Management weiterarbeiten.
Auf individuelle Anforderungen runterbrechen
Es hängt ganz vom Einsatzzweck, der eigenen Ausgangslage und den individuellen Herausforderungen ab, wie die künftige Intralogistiklösung eines heutigen Warehouse-Management-Anwenderunternehmens aussehen sollte. Auch die Frage nach dem besten Zeitpunkt für einen Wechsel der Logistik-Software muss man sich ehrlich stellen: vor, während oder nach der ERP-Transition.
Ausgangspunkt für die meisten Unternehmen ist heute eine klassische SAP-ECC-Installation (in der Regel Version 6.x) in Verbindung mit der Warehouse-Management-Lösung SAP LES, die auf SAP WM basiert. Diese ist im sogenannten Compatibility-Mode auch im neuen S/4HANA enthalten, ihr Nutzungsrecht läuft allerdings bereits 2025 aus. Anschließend besteht die Möglichkeit, ohne zusätzliche Lizenzgebühren das SAP Stock Room Management zu nutzen, welches ebenfalls Bestandteil der neuen SAP-Produktgeneration ist.
Stock Room Management entspricht technisch dem bisherigen SAP WM und reicht etwa für einfache Scan-Tätigkeiten im Handlager vollkommen aus. Aber Vorsicht, hier sollte man lieber ganz genau überlegen, denn dieses ist nicht skalierbar und stößt beim Ausbau des Lagers sehr schnell an seine funktionalen Grenzen. Auch oft stattfindende Anpassungen an veränderte Transportbedingungen, zum Beispiel die Zunahme des Paketdienstversands, sind mit Stock Room Management nur bedingt möglich.
Grundsätzlich sind vier Szenarien für einen Umstieg denkbar, die ganz vom Einsatzzweck, der eigenen Ausgangslage und den individuellen Herausforderungen abhängen. Michael Moser DSAG-Fachvorstand Produktion & Supply Chain Management
Michael Moser
DSAG-Fachvorstand Produktion & Supply Chain Management
Ausführliche Auswahlmatrix
SAP selbst empfiehlt, das neue Embedded EWM zu verwenden. Dieses ist bereits seit dem S/4HANA-Release 1610 (Ende 2016 vorgestellt) eine Standardfunktionalität des SAP-Systems. Es bringt Value Added Services, Materialflussrechner und weitere neue Funktionen mit sich. Wer sich für EWM entscheidet, steht vor einer grundsätzlichen Auswahlmatrix: EWM als Basic- oder Advanced-Variante? Und: zentral (embedded) oder dezentral (by-side)? Zentral und dezentral unterscheiden sich danach, wo das EWM angesiedelt ist, Basic oder Advanced bezüglich der bereitgestellten Funktionen.
Dezentrales EWM macht Lagerverwaltung unabhängiger
Der Vorteil bei der dezentralen Lösung ist die bessere Lastverteilung, was sich bei hohen Volumina im Lager auszahlt. Sie punktet außerdem bei der Unabhängigkeit: Im Falle eines Ausfalls des zentralen ERP-Systems, etwa bei einem Upgrade, kann weiter kommissioniert und eingelagert werden. Auf der anderen Seite ist es teurer, einzelne Systeme separat zu warten und zu pflegen, als das EWM-Modul in den S/4HANA-Kern einzubetten. Es ist letztlich eine Frage der Philosophie, die ausgehend von den konkreten Produktionsweisen vor Ort beantwortet werden sollte.
Zeitpunkt des Umstiegs
Grundsätzlich sind vier Szenarien denkbar:
- Wechselt man noch vor der eigentlichen S/4HANA-Transition auf SAP EWM (früher Umstieg), ist nur ein dezentraler Betrieb der Lagerverwaltung möglich, d. h. man braucht in jedem Fall eine zweite Systemlandschaft (SAP ECC + Advanced by-side). Das Szenario bietet sich grob gesagt immer dann an, wenn die Logistik eine zentrale Rolle im Unternehmen spielt. Der Vorteil: Während der EWM-Einführung sind die ERP-Module in SAP ECC stabil.
- Der parallele Lagersoftware-Umstieg zur S/4HANA-Transition eignet sich optimalerweise für Unternehmen mit einer mittelkomplexen Intralogistik. Hier besteht die Wahl zwischen dezentralem und zentralem EWM-Betrieb. Wer mit einer etwas längeren Transition-Dauer leben kann und wem Basis-Funktionalitäten mit klassischer User-Lizenzierung ausreichen, für den bietet sich dieser Ansatz an. Man hat nur einen Going-Live und EWM kann bei einem Redesign der Prozesse in S/4HANA gleich mit angepasst werden. Allerdings ist dieser Ansatz mit mehr Aufwand im Projekt verbunden.
- Die Einführung von S/4HANA vorziehen und erst dann auf EWM umsteigen, das empfiehlt sich für Unternehmen mit mehreren Werken, die unterschiedliche Produkte herstellen und ihre Transition noch nicht vollständig abgeschlossen haben. Vorteil: Das S/4HANA-System ist bereits stabil, und es gibt keine Änderungen mehr in den logistischen Modulen.
- Schließlich die anspruchsvollste Variante: der Hybrid-Umstieg, bei dem einige Standorte vor, einige während und einige nach der S/4HANA-Transition umgestellt werden. Unternehmen mit einer Vielzahl von Lagerstandorten, einer komplexen Lagerlogistik und einem hohen Individualisierungsgrad ihres bisherigen WM-Systems werden sich für diese Variante entscheiden.
Advanced-Modul ab 5.000 An- und Auslieferpositionen täglich
Wer nur das Basic-Modul verwendet, für den genügt die klassische User-Lizenzierung, und er muss nur den Lager-Leitstand lizenzieren. Zum Umfang der Advanced-Lösung hat SAP einen Funktionen-Katalog bereitgestellt: Er umfasst u. a. integrierte Materialflusssteuerung, logistische Zusatzleistungen, Kommissionierwellen, Lager-Reorganisation etc. Der Lizenzbedarf orientiert sich dann an den tagesdurchschnittlichen Anliefer- und Ausliefer-Positionen. Wer diese Funktionalitäten nutzt bzw. SAP EWM als dezentrales System einsetzt, kommt um dieses Lizenzmodell nicht herum. 5.000 An- und Auslieferpositionen am Tag sind die von SAP gesetzte Grenze. Man sollte also genau prüfen, ob Basic-Funktionalitäten ausreichen, wenn EWM als integrierte Lösung verwendet wird, oder ob man bestimmte Funktionen benötigt, die zu einer Advanced-Lizenzierung führen.
Zwischen Basic und Advanced kann sich entscheiden, wer S/4HANA mit Embedded EWM einführt, d. h. die Lagerverwaltung als Modul direkt im S/4HANA. Aber auch wenn man weiterhin mit SAP ECC arbeitet, ist der Einsatz von SAP EWM möglich, dann jedoch ausschließlich mit der Advanced-Variante als dezentraler Lösung. Das bedeutet, man benötigt ein zweites, separat zu lizenzierendes SAP-System für den Betrieb. Die dezentrale Lösung kann auch später in S/4HANA fortgeführt werden, dann aber weiterhin mit einer Zweisystemlandschaft.
Arbeitsgruppe Lagerlogistik/EWM
Die Arbeitsgruppe Lagerlogistik/EWM mit mehr als 1.400 Mitgliedspersonen dient dem Erfahrungs- und Informationstausch der Anwender von SAP-Lösungen bei der Abwicklung von Warenbewegungen und der Verwaltung der Bestände in Lagerkomplexen von Unternehmen. Sie setzt sich für bedarfsgerechte SAP-Lösungen im Umfeld von u. a. Einführung von SAP-Lagerlogistiksystemen, Integration in bestehende Systemlandschaften, Lagerplatzverwaltung und -optimierung sowie Abbildung von Warenbewegungen ein.
Je früher, desto besser
Mit 10.000 produktiven Installationen ist SAP LES die weltweit meistgenutzte Logistik-Software. Zahlreiche Unternehmen sind also von einem Umstieg auf eine neue Intralogistik betroffen und müssen sich früher oder später für eine der genannten Optionen entscheiden. Je eher man mit der Vorbereitung dafür beginnt, desto besser.
In der Arbeitsgruppe Lagerlogistik/EWM der DSAG und weiteren Gremien und Foren der Anwendergemeinschaft werden unterschiedlichste Fragen der Zukunft der Lagerlogistik seit längerem intensiv und zielorientiert diskutiert. Interessierte Anwenderunternehmen erhalten dort Entscheidungshilfen und Informationen zu ihren entsprechenden Projekten. Erst im Frühjahr 2021 hatte die Arbeitsgruppe 48 Mitgliedsunternehmen verschiedenster Branchen zu ihren künftigen Plänen hinsichtlich Logistik/Warehouse-Management befragt, 25 davon mit 5.000 und mehr Beschäftigten. Ein Ergebnis: EWM-Migrationen werden in den kommenden drei Jahren der ERP-Transition sogar vorgezogen.
Bildnachweis: DSAG, iStock, Autor Michael Moser, DSAG-Fachvorstand Produktion & Supply Chain Management
Autor: Michael Moser
DSAG-Fachvorstand Produktion & Supply Chain Management
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